In der ersten Instanz hat man als Nachbar eines Bauprojektes die Möglichkeit, Einwendungen zu machen. Dazu ist es sinnvoll, die Pläne genau einzusehen. Am besten ist es, jedes Dokument und jeden Plan im Bauakt zu fotografieren. Bei Plänen empfiehlt es sich, sowohl ein Übersichtsfoto wie auch Teilaufnahmen (z.B. in 4 Teilen) zu machen, da so Details besser begutachtet werden können. Eingangsstempel und Erstellungsdatum sowie Unterfertigungen sind wichtig, zu dokumentieren. Wir haben schon Gutachten ohne Unterfertigung des Erstellers gesehen.
Das Erstellen einer Liste aller im Bauakt aufscheinenden Schriftstücke und Pläne ist vorteilhaft. Digital zur Verfügung stehende Unterlagen (Gutachten, Pläne, …) dürfen ebenso angefordert werden.
Einwendungen müssen schriftlich innerhalb einer Frist von 2 Wochen bei der Baubehörde abgegeben werden. Bauverhandlungen sind seit der Novellierung der NöBO vom 17.7.2017 nicht mehr vorgesehen. In den Einwendungen sollte man alles formulieren, was einen stört. Besonders sollte man sich auf die Parteienrechte (§6 NöBO: Standsicherheit, Trockenheit, Brandschutz, Emissionsschutz, Höhen, Bauweise, Bauwich, freier Lichteinfall) konzentrieren. Alles, was in den Einwendungen nicht angesprochen wurde, kann in II. Instanz nicht mehr ergänzt werden. Als Laie muss man nicht wissen, was Parteienrechte sind – daher lieber zu viel als zu wenig in die Einwendungen miteinbeziehen.
Die Baubehörde (meist der Bürgermeister) muss sich dann mit den Einwendungen auseinander setzen und jede einzelne auf seine Berechtigung prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung muss die Baubehörde schriftlich ausarbeiten - in Form eines Bescheides. Bei großen Bauvorhaben wird meist ein Anwalt für Baurecht hinzugezogen, da die meisten Baubehörden mit der Komplexität von großvolumigen Bauprojekten überfordert sind – nicht selten auch der Anwalt der Gemeinde.
Diesen Baubescheid I. Instanz gilt es als Nachbar wieder penibel durchzuarbeiten und sich nun genau auf die Parteienrechte zu konzentrieren. Einwendungen, die nicht darunter fallen, werden im Bescheid wahrscheinlich schon abgelehnt worden sein. Manchmal ist es möglich, berührte Parteienrechte indirekt aufzeigen zu können. Einige Beispiele: gefährdete Standsicherheit durch nicht ordnungsgemäß dimensionierte Feuerwehrzufahrten (TRVB 134) oder gefährdete Trockenheit durch Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse (wo dann laut höchstgerichtlicher Judikatur gegebenenfalls im Bauverfahren auch § 39 des Wasserrechtsgesetzes anzuwenden ist). Bei abgelehnten Einwendungen bzgl. Emissionen steht das Recht auf Unversehrtheit der Gesundheit über der Pflicht, Emissionen von Pflichtstellplätzen oder solchen, die von der Nutzung des Bauvorhabens zu Wohnzwecken ausgehen, dulden zu müssen.
Alle Punkte können nun als Berufung formuliert an die Baubehörde II. Instanz gerichtet werden. Dies ist der Gemeindevorstand bzw. Stadtrat. Dieser muss sich wiederum mit den Berufungen auseinandersetzen, deren Berechtigung prüfen und schriftlich darlegen, ob und v.a. warum er den Baubescheid I. Instanz als gültig befindet, Ergänzungsbedürftigkeit in den Unterlagen sieht oder das Bauvorhaben zurück in die I. Instanz verweist. Selbst eine Aufhebung des Bescheides ist der Baubehörde II. Instanz möglich. Die Entscheidung ist als Mehrheitsbeschluss zu treffen. Mitglieder des Vorstandes, die in der I. Instanz Parteienstellung (z.B. für die Gemeinde) innehatten, sind als befangen zu sehen und müssen sich der Abstimmung enthalten. Über einen derartigen Baubescheid II. Instanz kann man als Nachbar und Partei nun beim Landesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen. Man hat 4 Wochen dafür Zeit.
Es herrscht dabei keine Anwaltspflicht. Geht man diesen Weg ohne Anwalt, ist zu beachten, dass man die Beschwerde derart formuliert, dass daraus hervorgeht, in welcher Form das Vorgehen und die Entscheidung der Baubehörde II. Instanz (Gemeindevorstand/ Stadtrat) nicht den Vorgaben entspricht. Man beschwert sich in erster Linie über die Vorgehensweise der Baubehörde, erst in 2. Linie über die Sache selbst (Bauprojekt). In einer Beschwerde ist es besonders wichtig, den Verlauf des Verfahrens nachvollziehbar zu machen. Das heißt bei jeder Beschwerde jene maßgeblichen Formulierungen aus Einwendungen, Berufungen und den Bescheiden wortgetreu wieder zu geben, um Fehler oder Versäumnisse der Behörde im Verfahren nachvollziehbar aufzuzeigen. Widersprüchlichkeiten z.B. in Gutachten, die von der Behörde wahrgenommen hätten werden müssen, sind hervorzuheben. Es empfiehlt sich, mit einer entsprechenden Begründung um aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzusuchen (NöBO §5). Fehlt dem zuständigen Richter eine ihm nachvollziehbare Begründung, lehnt er den Antrag allerdings ab.
Auch um die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zur genaueren Klärung der Sachverhalte sollte man in der Beschwerde ansuchen.
Über unsere persönlichen Erfahrungen in einer solchen öffentlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht (III. Instanz) werden wir demnächst berichten.
Wir sind gerne bereit, unsere Erfahrungen im Bauverfahren zu einem großvolumigen Bauprojekt einer Siedlungsgenossenschaft zu teilen. Auch durch die Vernetzung mit anderen Betroffenen haben wir ein beträchtliches Maß an Vorerfahrungen sammeln können, die neu Betroffenen hilfreich sein könnten. Melden Sie sich im Bedarfsfall ohne Scheu.
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