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Ortsbildgutachten - Hat es schon jemals ein negatives Ortsbildgutachten gegeben?

Erfahrungen mit Ortsbildgutachten (OBG) zu großvolumigen Wohnbauten

                          

Ein Ortsbildgutachten muss von der Baubehörde in Auftrag gegeben werden, und nicht vom Bauwerber. Es dient der Behörde als Hilfe zur Beurteilung eines Bauprojektes auf seine Ortsbild- verträglichkeit. Ob diese gegeben ist, muss aber schlussendlich die Baubehörde schlüssig feststellen. Die Parteien bei Bauverfahren haben keine Parteienstellung bzgl. des Ortsbildes. Aber sie haben ein Recht darauf, dass ein Gutachten durch einen Amtssachverständigen erstellt wird. Dieser kann nur von einer Behörde beauftragt werden.

Aus der NÖ Bauordnung §56  - sogenannter Ortsbildparagraf - entnehmen wir:

(1)Bauwerke, die einer Bewilligung nach §14 bedürfen oder nach §15 der Baubehörde anzuzeigen sind, sind so zu gestalten, dass sie in einem ausgewogenen Verhältnis mit der Struktur und der Gestaltungscharakteristik bestehender Bauwerke im Bezugsbereich stehen. Dabei ist auf die dort festgelegten Widmungsarten sowie auf die Charakteristik der Landschaft, soweit sie wegen des Standorts des geplanten Bauwerks in den Bezugsbereich einzubeziehen ist, Bedacht zu nehmen.

(2)Bezugsbereich ist der von allgemein zugänglichen Orten zugleich mit dem geplanten Bauwerk sichtbare Bereich, in dem die für eine Beurteilung relevanten Gestaltungsprinzipien wahrnehmbar sind. Struktur ergibt sich aus den Proportionen der einzelnen Bauwerke, deren Baumassen und deren Anordnung zueinander. Gestaltungscharakteristik ergibt sich aus den im Bezugsbereich überwiegenden Gestaltungsprinzipien, wie z.B. Baukörperausformung, Dach-, Fassaden-, Material-, Farbgestaltung unabhängig von Baudetails und Stilelementen

Bereits am 13.2.2014 wurden Vertreter unserer Bürgerinitiative freundlicher Weise vom Bürgerbüro des Landes NÖ zum Gespräch  eingeladen, um die Sorgen und Bedenken bzgl. des über- dimensionierten Wohnbauprojektes der WAV in Kreuzstetten mit Experten aus Raumplanung und Baurecht (DI Eichlinger, DI Hois,  u.a.)  besprechen zu können.                                                                         

In dieser Runde durften wir von diesen bzgl. eines Ortsbildgutachtens folgendes lernen:

  • Nur Gebäude die gleichzeitig mit dem geplanten Objekt sichtbar sind und die jeweiligen Gestaltungscharakteristika noch ausreichend genau wahrgenommen werden können,  sind maßgeblich in der Beurteilung der harmonischen Einfügung eines geplanten Objektes in die Umgebung.
  • Dabei müssen die Beobachtungspunkte öffentlich zugänglich sein.
  • Die Vegetation sollte dabei nicht berücksichtigt werden, da nicht beständig.
  • Die Bebauungsdichte (und somit Baumasse) des geplanten Objektes sollte in einem ausgewogenen Verhältnis zur Umgebungs-Bebauungsdichte stehen

Im Ortsbildgutachten des DI Macho zum Projekt in Kreuzstetten lesen wir:                                                                              

„Der Umgebungsbereich ist jener Bereich, der vom Standort des geplanten Bauwerkes optisch beeinflusst werden wird. Darunter ist jener Bereich zu verstehen, der eine direkte optische Wechselbeziehung, im Regelfall in abnehmender Intensität mit der Entfernung vom Standort des geplanten Bauwerkes mit dem geplanten Bauwerk eingeht.“

Einem Ortsbildgutachten (nicht zum Projekt) eines Amtssachverständigen entnehmen wir:        

„Die Gestaltungsprinzipien sind v.a. im Nahbereich wirksam, wo die Proportionen der einzelnen  Bauwerke deutlich miteinander verglichen werden können. Die Gestaltungsprinzipien von Bauwerken auf angrenzenden Grundstücken bis zu einer Distanz von 100 m sind noch ausreichend nah, um mit den Gestaltungsprinzipien des geplanten Objektes eine ausreichend visuelle Wechsel- wirkung zu erreichen.“

Wir sammelten also eine Menge Informationen bzgl. der Erstellung eines Ortsbildgutachtens und werden nun dennoch mit einem Gutachten eines Amtssachverständigen des Landes NÖ konfrontiert, dass uns vor große Fragen stellt. Es werden Beobachtungspunkte auf nicht öffentlich zugänglichen Bereichen gewählt. Es werden Gestaltungscharakteristika und Baustrukturen von Gebäuden herangezogen, die nicht zugleich und ausreichend nah für eine visuelle Wechselbeziehung mit dem Bauprojekt wahrnehmbar sind. Ein anderer öffentlich zugänglicher Bezugsbereich, mit gleicher Entfernung und ungleich mehr visueller Wechselbeziehung zum Projekt wird nicht mal erwähnt. Der zum geplanten Projekt weiter entfernte Beobachtungsraum und dessen visuelle Wechselbeziehung wird in der Beurteilung höher gewichtet, als der Nahbereich. Dass neben all diesen Aspekten auch noch eine falsche Längenausdehnung und Geschoßanzahl im Gutachten zu finden sind, machen sprachlos. Ebenso dass keinerlei Erwähnung der enormen Bebauungsdichte des geplanten Projektes von 56% im Gegensatz zur Umgebungsbebauungsdichte von 5,5% im Gutachten zu finden ist. Das geplante Bauwerk zeigt also die zehnfache!!! Baumasse im Vergleich zur Umgebungsbebauung und wird als „verträgliche Baumasse“ bezeichnet. Nur nebenbei sei ein Zitat des Architekten erwähnt:Das Grundstück wird von einer Grünzone umrahmt ….“.   Ja – aber diese kommt ausschließlich von den Nachbarn. Das Projektgrundstück wird zu gut 80% versiegelt.

Natürlich nahmen wir Kontakt mit dem Verfasser des Gutachtens auf und bekamen – wie immer beim Land – sehr freundlich und geduldig Auskunft auf unsere Fragen. Der Fehler bei der Gebäudelänge und der Geschoßanzahl musste zugegeben werden. Alle anderen Fragwürdigkeit- keiten fallen unter die breite Interpretationsmöglichkeit des §56 durch den jeweiligen Beurteiler. Kernaussage des Verfassers des OBG: „So habe ich das wahrgenommen, so muss ich das beurteilen.“

Es stellt sich die Frage: Hat es im Zusammenhang mit geplanten großvolumigen Bauprojekten v.a. von den vielen Baugenossenschaften schon jemals ein negatives Ortsbildgutachten gegeben?                                      

Im Vorfeld werden ja oft die Bürgermeister der jeweiligen Gemeinden gefragt, wie sie zu dem Bauprojekt stehen. Hat deren Einstellung Auswirkung auf die Beurteilung der Ortsbildverträglichkeit?

Falls jemand von einem negativen Ortsbildgutachten im Zusammenhang mit Wohnanlagen weiß, würde es uns sehr freuen, näheres darüber zu erfahren.

Für die BI

Elisabeth Perschl

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