Ende September fällte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eine längst überfällige Entscheidung hinsichtlich der bloßen „Beteiligtenstellung“ von Bürgerinitiativen (BI) in vereinfachten UVP-Verfahren. Es ging dabei um die Frage, ob es hinsichtlich der Verfahrensrechte von BI zulässig ist, zwischen „ordentlichen“ und vereinfachten UVP-Verfahren zu unterscheiden. Bei seiner Entscheidung orientierte sich der VwGH nicht nur an der UVP-RL und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH, sondern zog auch die Aarhus Konvention zur Auslegung heran
Anlassfall
Anlässlich eines Stadtumfahrungsprojektes hatte die Landesregierung Vorarlberg einer BI Parteistellung im vereinfachten UVP-Verfahren zuerkannt. Dagegen erhoben die Projektwerbenden Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) entschied, dass der BI nach dem österreichischen UVP-Gesetz (UVP-G) in einem vereinfachten Verfahren lediglich „Beteiligtenstellung mit Recht auf Akteneinsicht“ zukomme. Im Vergleich zum „ordentlichen“ UVP-Verfahren sind die Rechte der BI dadurch erheblich eingeschränkt, weil sie unter anderem keine inhaltlichen Einwendungen gegen das Vorhaben erheben und den UVP-Bescheid der Behörde nicht gerichtlich überprüfen lassen können. Die BI erhob Revision an den VwGH, da sie in dieser Regelung einen Verstoß gegen die UVP-Richtlinie (UVP-RL) der EU sowie die Aarhus Konvention sah.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH (27.09.2018, Ro 2015/06/0008) teilte die Auffassung der BI und entschied, dass sich die verfahrensrechtliche Differenzierung für BI nicht mit den europäischen Vorgaben vereinbaren lässt. In seiner Begründung führt der VwGH aus, dass sich der einschlägige Art 11 UVP-RL fast wortgleich auf Art 9 Abs 2 der Aarhus Konvention stützt und daher auch im Lichte der Konvention auszulegen ist.
Dementsprechend muss in umweltbezogenen Entscheidungsverfahren für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit bei ausreichendem Interesse oder bei Geltendmachung einer Rechtsverletzung eine Anfechtungsmöglichkeit bestehen. Da UVP-Verfahren grundsätzlich umweltbezogene Entscheidungsverfahren darstellen, müssen sowohl „ordentliche“ als auch vereinfachte UVP-Verfahren diesen Vorgaben entsprechen. Insbesondere da auch Vorhaben im vereinfachten Verfahren möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können.
Des Weiteren differenziert die UVP-RL nicht zwischen unterschiedlichen Vertretern der betroffenen Öffentlichkeit. Als "betroffene Öffentlichkeit" definiert die UVP-RL jene Öffentlichkeit, die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffen oder wahrscheinlich betroffen ist, oder ein Interesse daran hat. Eine BI als ein Zusammenschluss von natürlichen Personen, die in der Standortgemeinde oder in einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde ihren Wohnsitz haben, ist daher jedenfalls als Teil der betroffenen Öffentlichkeit anzusehen.
Als Teil der betroffenen Öffentlichkeit muss BI somit Parteistellung auch in vereinfachten Verfahren zuerkannt werden. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGH
(C-664/15, Protect), wonach die bloße Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtmittels nicht ausreicht, sondern auch während des Verfahrens eine aktive Beteiligung ermöglicht werden muss. Beides stellt das Rechtsinstitut der Parteistellung nach österreichischem Recht sicher.
Die Bestimmung, wonach BI in vereinfachten UVP-Verfahren nur Beteiligtenstellung haben, verstößt somit gegen Unionsrecht. In solchen Fällen hat eine unionsrechtswidrige Regelung unangewendet zu bleiben und die Behörden haben sich unmittelbar auf die UVP-RL zu stützen. Im Ergebnis kommt BI somit in sämtlichen Umweltverträglichkeitsverfahren volle Parteistellung zu.
Weitere Informationen:
Text der Entscheidung des VwGH
UVP-Bericht 2018
Homepage der BI „Statttunnel“
ÖKOBÜRO Informationstext zu UVP-Verfahren
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