In vielen Gemeinden schmückt man sich mittlerweile mit Bürgerbeteiligung bei der Planung rund um Gemeindeentwicklungen. Dies ist wünschenswert und bringt bei ernst gemeinter Durchführung mehr Akzeptanz für Maßnahmen, die die Gemeindeverantwortlichen treffen müssen oder wollen. Oberstes Gebot dabei – laut Handbuch zur Bürgerbeteiligung der Abteilung für Raumordnung des Landes NÖ (http://www.raumordnung-noe.at/index.php?id=382): die Gemeindeverantwortlichen müssen auch wirklich wollen, dass die Bürger mitreden.
V.a. das Thema Siedlungsentwicklung betrifft jeden Einzelnen und ist unter dem von Experten prognostizierten Siedlungsdruck entlang von Hauptverkehrsachsen und im Speckgürtel von Städten ein wichtiges Thema. Es wird erwartet, dass sich hunderttausende Menschen z.B. alleine im Norden von Wien in den nächsten Jahren neu ansiedeln wollen. Um gemäß dieser Prognose gewappnet zu sein, wollen viele Gemeindeverantwortliche extrem verdichteten (städtischen) Wohnbau auch in kleinen Gemeinden zulassen, ja sogar fördern. Als Argument wird vorgebracht, dass Grundstückspreise sehr steigen würden und kein leistbarer Wohnraum abseits von großvolumigem Wohnbau mehr besteht. Wir setzen diesen Gedanken fort und geben zu bedenken, dass nur große Baugesellschaften/-genossenschaften die dann notwendigen erheblichen finanziellen Ressourcen zum Baulanderwerb vorweisen werden können und sich somit das ländliche Ortsbild durch großvolumigen Wohnbau radikal ändern wird. Daher ist es besonders wichtig, rechtzeitig raumplanerische Vorkehrungen zu treffen, um die ländlichen Strukturen als solche auch nachhaltig zu erhalten. Was passiert, wenn dies nicht geschieht, sieht man deutlich in vielen Gemeinden südlich von Wien, aber auch z.B. in Gerasdorf, das seinen dörflichen Charakter bereits verloren hat. Es gäbe noch viele andere Beispiele aufzuzählen.
Wichtige Werkzeuge zur Regulierung einer maßvollen Siedlungsentwicklung (in NÖ):
Ein Bebauungsplan ist sehr wohl auch auf bereits bebautes Gebiet erstellbar und sinnvoll, denn jedes Grundstück im Bauland ist ein potentieller zukünftiger Bauplatz. Ein Bebauungsplan darf für:
den gesamten Gemeindebereich
einzelne Ortschaften
abgrenzbare Teilbereiche
erlassen werden.
- siehe NÖ Raumordnungsgesetz § 29/ (1) und (2).
Die Minimalanforderungen an einen Bebauungsplan sind die Festlegung von
Bauklasse (Bauhöhe)
Bauweise (offen, geschlossen, gekuppelt oder Kombinationen)
Baufluchtlinie (straßenseitig)
Alle weiteren Parameter dürfen festgelegt werden (z.B. Baudichte, Zahl der erforderlichen Stellplätze für Kfz auf Eigengrund, Geschoßflächenzahl, ….) - siehe NÖ Raumordnungsgesetz §30/(2)
Laut NÖ Bauordnung 2014 § 63/(2) kann durch den Gemeinderat (für ein gesamtes Gemeindegebiet oder abgegrenzte Teilbereiche) auch eine Stellplatzverordnung beschlossen werden. Diese kann durch eine gut durchdachte Erhöhung der Anzahl der zu errichtenden Stellplätze auf Eigengrund ein Regulativ dafür sein, wie viele Wohneinheiten eine Baugenossenschaft auf ein Grundstück „pressen“ kann (laut Gesetz ist in NÖ NUR ein Stellplatz pro Wohneinheit auf Eigengrund notwendig. Besucherparkplätze oder Stellplätze für Lieferfahrzeuge, Entsorgungsfahrzeuge o.ä. sind – auch in engen Gassen – keine Pflicht). Bei einer Stellplatzverordnung sind auch Halbschritte möglich (z.B. 1,5 Stellplätze/ Wohn-einheit). Die Vorschreibung verpflichtender Stellplätze für nur ein einzelnes Bauprojekt ist jedoch juristisch fragwürdig.
Auch die Einschränkung von erlaubten Wohneinheiten pro Baugrund (max. 2 oder max. 3 im „Bauland Wohnen“ bzw. max. 6, 12 oder 20 Wohneinheiten im „Bauland Kerngebiet“) kann auf bereits bebaute Ortsgebiete angewandt werden. Diese Regelung wird schon in vielen Gemeinden und Städten zum Schutz des strukturellen Charakters bestimmter Wohngebiete genutzt. (siehe NÖ Raumordnungsgesetz §16/(5)). Die Widmung „Bauland Agrar“ bedeutet ohnehin eine Einschränkung auf 4 Wohneinheiten pro Baugrund.
Sämtliche aufgezählten Möglichkeiten bietet das Gesetz, um als Gemeinde neben den Vorgaben des Landes (Leitpläne, Regionale Raumordnungsprogramme, …) Spielraum für eigene Planungs- und Entwicklungsvorstellungen zu haben.
Sollten also Gemeindeverantwortliche - trotz Wunsch der Bevölkerung – keine Regelungen für maßvolle, nachhaltige Siedlungsentwicklung treffen, kann es nur 2 Ursachen geben:
Sie kennen die beschriebenen Möglichkeiten nicht oder sie wollen sie nicht kennen.
Link NÖ Raumordnungsgesetz: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrNO&Gesetzesnummer=20001080
Für die BI „Dorf bleiben!“
Lisi Perschl
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