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Wo ist Ortszentrum?

Zentrum ist dort, wo die Voraussetzungen stimmen.

 Solche sind sogar im NÖ Raumordnungsgesetz erwähnt (§ Abs. 2 Z. 15): Zentrumszonen können in bestehenden zusammenhängenden Siedlungseinheiten mit mindestens 1800 Einwohnern festgelegt werden, soweit eine gute Verkehrsanbindung an das öffentliche und/oder individuelle Verkehrsnetz vorliegt, eine dichtere Bebauungsstruktur als im Umgebungsbereich und ein Durchmischungsgrad von Wohn– und anderen Nutzungen (z.B. öffentliche Einrichtungen, Büro, Handels- und Dienstleistungsbetriebe) gegeben ist.

Es ist daher völlig abwegig zu glauben, dass mit der Schaffung eines solchen Zentrums der Sportplatz mit Wohnhäusern verbaut wird. Wer die Meinung verbreitet, man plane unter dem Mäntelchen des Ortszentrums Wohnsilos, verkennt den Sinn unserer Initiative: wir Bürgerinnen und Bürger von St. Andrä-Wördern waren – im Gegensatz zu den maßgeblichen politischen Parteien – nie für die Absiedelung des Sportplatzes und für neue Wohnbauten an seiner Stelle.

Es ist allerdings ebenso abwegig zu glauben, dass ein lebendiges, vielfältiges Ortszentrum frei von Bewohnern gestaltet werden kann. Das Ergebnis wäre ein Büro- und Geschäftsareal wie in einer nordamerikanischen City, das an jedem Abend verödet und jeden Morgen – außer Samstag/Sonntag/Feiertag – aus seinem Schlaf geweckt werden muss. Das Maß, die Menge der Bewohner, muss stimmen. Moderate Wohnbauten in Nähe bereits vorhandener Wohnhäuser sollten dem im Ortsentwicklungskonzept festgeschriebenen gebremsten Zuzug entsprechen und das Ortszentrum auch in der arbeitsfreien Zeit mit Leben erfüllen.

Sport sollte dabei ein wesentlicher Bestandteil der Nutzungs-Durchmischung sein, für den ein nicht zu kleiner Teil des Areals vorgesehen werden sollte. Welche Sportarten dort ihre Heimstätte finden sollten, ob indoors oder im Freien, sollte einer sich ändernden Bedarfsentwicklung vorbehalten bleiben.

 

Wo kann sich für unsere sieben Dörfer ein Zentrum bilden?

Für das, was man sich unter einem modernen Ortszentrum vorstellen kann, bietet sich in der Gemeinde kaum noch eine Auswahl an Möglichkeiten. Es bedarf wohl keiner Begründung, warum dafür nur St. Andrä und Wördern in Frage kommen. Ein natürliches, gewachsenes Zentrum hat keiner der beiden Orte anzubieten: in Wördern ist der ehemalige Dorfanger nur noch bruchstückhaft erkennbar und durch Neubauten seiner Ursprungsidee beraubt. In St. Andrä, wo die für den Ort namensgebende Kirche als Mittelpunkt dienen könnte, zerschneidet die Bundesstraße den Ortskern mit der Brutalität und Totalität eines Verkersweges aus dem 20. Jahrhundert in zwei Hälften, von denen keine auch nur annähernd die Voraussetzungen für ein funktionierendes Zentrum erfüllen kann. An der Greifensteinerstraße, gleichsam in Randlage zum Wienerwald, wäre ein Zentrum wie die Quadratur des Kreises. Ein Zentrum entlang des Hagenbaches, etwa unterhalb der Lehnergasse/Hauptstraße, scheitert an der damit verbundenen Hochwassergefahr und der ungünstigen Verkehrslage. Einzig das Areal zwischen Bahntrasse und Schubertgasse sowie zwischen Hauptstraße und Dr. Karl Renner-Allee kommt für die Entwicklung eines Zentralraumes für die Gemeinde noch in Frage. Wird sie zugunsten einer einseitigen Nutzung verbaut, ist diese letzte Chance zumindest für dieses und wahrscheinlich auch für das nächste Jahrhundert vertan.

 

„Zwischenstadt“ oder Moderne Marktgemeinde?

Eine höchst bedenkliche Entwicklung im Städtebau ist die „Zwischenstadt“. Als solche bezeichnen die Fachleute die vermehrte Ansiedlung der stadtflüchtigen Einwohner in die städtische Umgebung, die zwischen nahegelegenen größeren Städten zu einer flächendeckenden Wohnbauverdichtung führt. Der aus Wien kommende Siedlungsdruck auf Klosterneuburg hat dort schon in den Sechzigerjahren zu einem steilen Ansteigen der Grundstückspreise geführt. Die donauaufwärtsorientierte Stadtflucht hat in den letzten 20 Jahren das Gebiet zwischen Klosterneuburg und Tulln entdeckt und in St. Andrä-Wördern bereits zu spürbaren infrastrukturellen Problemen geführt. Das Ortsentwicklungskonzept spricht schon seit längerem von „gebremstem Wachstum“. Bei Verlagerung des Sportplatzes in die Au, Verbauung des Bauhofgeländes und Aufschließung weiterer, bisher unverbauter Gründe in unmittelbarer Bahnhofsnähe ist die Gefahr einer „Zwischenstadt“-Bildung evident. Das einzige Mittel gegen eine solche Zwischenstadt ist – abgesehen von einem unrealistischen Bauverbot für jede Art von Wohngebäuden – die Förderung eines modernen Ortskerns als Ort der Zusammenkunft, des gegenseitigen Austauschs, der kulturellen Entwicklung, der umfassenden Information und der Anziehungskraft auf Besucher in einer heilen, vorbildhaften Umwelt.

 

Wie kann sich ein Ortszentrum mit Zukunft bilden? In welcher Zeit?

Ein derartiges Ortszentrum kann nicht auf dem Reißbrett entstehen. Es muss sich von selbst entwickeln. Aufgabe der Gemeindeführung ist es, die Voraussetzungen für seine Entwicklung zu schaffen, die dafür nötigen Vorgaben im Ortsentwicklungskonzept zu verankern und die jeweiligen Nutzungen schließlich in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Zentrumszonen aufzunehmen. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht abgehoben in der Gemeindestube erfolgen sollte, sondern im ständigen Kontakt mit der interessierten Bevölkerung. Nur ein breiter Konsens kann eine sinnvolle Entwicklung tragen, die im Lauf von ein bis drei Jahrzehnten abgeschlossen sein könnte – ein im Vergleich zur Zeit der bisherigen Ortskernlosigkeit kurzer Zeitraum.

Hand in Hand damit sollte vor allem in der Anfangsphase ein Anreiz durch gemeindeeigene Einrichtungen, bedarfsorientierte Verkehrslösungen und notwendige Förderungsmaßnahmen erfolgen. Den einzelnen Nutzungsarten (öffentliche Einrichtungen, Dienstleister, Bildungs-, Sport- und Unterhaltungsbereich, Gastronomie, kommerzieller Bereich, Wohnbereich)  könnten entsprechend große Areale gestaffelt vorbehalten werden.

Die nötige Infrastruktur, insbesondere die erforderlichen Verkehrseinrichtungen, sollten unter Berücksichtigung der gesamten Gemeinde und nicht nur des in Rede stehenden Zentrumsareals geplant und an zu erwartenden künftigen Entwicklungen orientiert werden.

Diese Entwicklung muss nicht überstürzt und unzureichend (an der Bevölkerung vorbei) geplant werden. Sie sollte auch nur den Rahmen ausstecken, indem sie für die verschiedenen Nutzungsarten bestimmte Bereiche – auch größenmäßig – vorsieht, so wie heutzutage auch jedes Einkaufszentrum unter Berücksichtigung eines möglichst breiten Nutzungsmix geplant wird, ohne für einzelne Flächen schon fixe Nutzungen vorzusehen.

 

l. Natterer

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