Josef Ostermayer, die „rechte Hand“ des linken Bundeskanzlers Werner Faymann, nimmt Berlakovichs Missbrauch des Amtsgeheimnisses zum Anlass, in einem Interview mit dem Standard (4./5. Mai 2013) Überlegungen zu Auskunftspflicht, Transparenz und Informationsfreiheit anzustellen. Zu einigen davon wird er sich unangenehme Fragen gefallen lassen müssen.
2006 – vor den Wahlen – hat über Ersuchen des damaligen Bundeskanzlers und SPÖ-Vorsitzenden Dr. Gusenbauer Herr Dr. Johannes Schnizer als zuständiger Klubsekretär einige von Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung gestellte Fragen wie folgt beantwortet:
„Grundsätzlich steht die SPÖ positiv zur partizipativen Demokratie... Eine rechtsstaatliche Verankerung der partizipativen Demokratie ist schon insoweit erforderlich, um Bürgerparteien Klagsbefugnisse vor dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof einzuräumen. Hiefür haben wir Formulierungsvorschläge im Österreich-Konvent vorgelegt. Eine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips der partizipativen Demokratie in der Verfassung ist erwägungswert. Auf Grund von entsprechenden Formulierungsvorschlägen müsste diskutiert werden, welche Auswirkungen eine solche Verankerung hätte... Wir halten die Einbindung der betroffenen Bevölkerung in Planungs- und Entscheidungsprozesse für den besten Weg, damit in Verwaltungsverfahren für alle Betroffenen eine bestmögliche oder zumindest möglichst verträgliche Lösung geschaffen wird. Wir sind daher der ÖVP auch stets entgegengetreten, wenn sie die Parteistellung eliminieren wollte - wie etwa zuletzt im UVP-Gesetz mit dem so genannten vereinfachten Verfahren oder in der Gewerbeordnung. Wir werden daher für das AVG vorschlagen, dass Bürgerinitiativen ab einer bestimmten Stärke Parteistellung erhalten... Damit partizipative Demokratie wirklich wirksam ist, ist das Wichtigste Information und Transparenz in den Entscheidungsabläufen. Wir treten daher für die Abschaffung des Prinzips der Amtsverschwiegenheit ein, die Verwaltung soll immer dann Auskunft geben müssen, wenn dem nicht der Schutz der Privatsphäre anderer Bürger oder Gründe der Staatssicherheit entgegenstehen. Es gibt aber keinerlei Grund, Planungsgrundlagen, Gutachten, Studien usw. geheim zu halten.“
Es muss sich bei dieser Antwort um ein besonderes Geheimpapier gehandelt haben, wenn es vor Josef Ostermayer so gut versteckt gehalten wurde, dass er es nicht gekannt haben will. Wie sonst hätte er im Interview auf die Frage, ob das plötzliche Interesse der Politik an mehr Transparenz etwas mit der Wahl zu tun habe, treuherzig gemeint: „Hätte transparenz.at“ (zur Information: jene vom Anti-Korruptionsexperten Hubert Sickinger und dem Ex-Profil-Journalisten Josef Barth ins Leben gerufenen Initiative für ein eigenes Transparenzgesetz) es schon vor einem Jahr thematisiert, wäre es genau so wichtig gewesen.“ Will Ostermayer uns damit wirklich vormachen, dass die SPÖ des Anstoßes einer eigenen Bürgerinitiative bedarf, um ihre hehren Ziele, zu denen sie sich schon vor 7 Jahren bekannt hatte, endlich selbst ernst zu nehmen? Ist die SPÖ, die nun alle Versäumnisse ihrem Koalitionspartner zuschiebt, nicht auf dem laufenden Band umgefallen statt entgegengetreten, etwa beim vereinfachten Verfahren nach dem UVP-Gesetz? Und wenn es wirklich so wäre, wenn erst eine Initiative diesen laut Ostermayer „wichtigen“ Stein ins Rollen gebracht haben sollte, dann müssten SPÖ und ÖVP dieses Transparenzgesetz in der Liste der noch vor den Wahlen zu erledigenden Agenden als die wichtigste überhaupt ganz oben ansiedeln, als Zeichen dafür, dass es für wichtige Dinge der Bürgerinitiative bedarf, um die Regierungsparteien aus ihrem demokratiepolitischen Schlummer zu reißen.
Nein, lieber Herr Dr. Ostermayer, so einfach geht es nicht mehr, auf die Vergesslichkeit der Bevölkerung zu sündigen! Entweder Sie selbst haben da ein massives Informationsdefizit, oder sie glauben, dass Alzheimerdemenz zu einem Massenphänomen geworden ist. Wir können Sie beruhigen: Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung ist ein lebendes Gedächtnis für alle Fragen der Partizipation. Wir prüfen die Glaubwürdigkeit der Politiker. Wir nehmen das, was sie sagen ernst. Im Gegenzug wollen aber auch wir Bürgerinnen und Bürger, von den Politiker(inne)n ernst genommen werden. Auf dass es nicht wie in einem Nachbarstaat zum ultimativen Bekenntnis kommt: „Wir haben die Bürger belogen und betrogen“ und daraufhin ein inzwischen zum europäischen Schreckgespenst gewordener Machtpolitiker von den Belogenen und Betrogenen mangels wählbarer Alternativen auf demokratischem Weg mit nahezu unbeschränkten Vollmachten ausgestattet wurde.
„Zeitgemäß wäre eine Auskunftspflicht, die nur mit stichhaltiger Begründung verweigert werden darf.“ „Wichtig ist, das System umzudrehen: Recht auf Information statt Recht auf Verschwiegenheit.“
Klingt alles super, wie ja auch wohlklingende Musikinstrumente innen hohl sind. Unter „stichhaltiger Begründung kann man alles mögliche verstehen. Darüber kann man jahrelang diskutieren, wenn man will beziehungsweise wenn man Transparenz nicht will. Am Ende kommt dann genau das heraus, was wir ohnedies schon gesetzlich verbürgt haben: eine grundsätzliche Auskunftspflicht mit einer Reihe von – noch dazu bundesländerweise verschiedenen - Einschränkungen, die natürlich stichhaltig zu begründen sind. Das nach Ostermayyer „umzudrehende System“ erweist sich als hohle Phrase, mit der wir bloß im Glauben gewiegt werden, es würde sich etwas zum Besseren ändern. Nein, Herr Ostermayer, nicht auf die Verpackung kommt es an, sondern auf den Inhalt!
Aber eines spricht Ostermayer offenbar nicht gerne und unterscheidet sich darin von der im Grunde ehrlicheren Aussage Gusenbauers: die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Information und Auskunft. Papier ist geduldig. Ein Transparenzgesetz, das festlegt, was die Bevölkerung erfahren können soll, ist genau so viel wert wie seine Durchsetzbarkeit. Daran kranken die bestehenden Auskunftspflichtgesetze: wenn eine Auskunft nicht erteilt wird, dann ist der Instanzenzug vorgegeben, den man beschreiten kann, um nach Jahren zur gewünschten Auskunft zu kommen – oder auch nicht. Denn die letzte Instanz ist das Salzamt – pardon, der Verwaltungsgerichtshof. Der kann nämlich nur feststellen, dass ein die Auskunftsverweigerung bestätigender Bescheid rechtswidrig ist und ihn aufheben. Das bringt’s – die belangte Behörde zahlt die Verfahrenskosten (aus unser aller Tasche) und gibt weiterhin nicht die gewünschte Auskunft. Schmeck’s. Es gibt kein Mittel, sie dazu zu zwingen.
Genau das ist es aber, was ins Gesetz gehört: nicht nur die Auskunftspflicht, nicht nur die Parteienstellung von Initiativen oder anerkannten NGO im Verfahren, sondern auch die Zwangsmittel gegen eine Behörde oder gegen einen Amtsträger, der bewusst und oft auch über höhere (politische) Anordnung das Gesetz verletzt, ohne irgendetwas befürchten zu müssen. Garantenstellung nennt man das im strafjuristischen Jargon, etwas, das für jeden von uns, wenn er Zeuge eines Verkehrsunfalls wird, selbstverständliche Pflicht zum Handeln ist. Amtsträger müssen das nicht.
Faymann kommt aus der Wiener Stadtverwaltung. Seiner rechten Hand sollte diese daher nicht ganz fremd sein. Ob er weiß, wie man dort Transparenz schreibt? Wie man dort in einem ausführlichen Schriftsatz für den Verwaltungsgerichtshof jemandem die Auskunft über eine (bereits lange vergangene) Frist, welche der Bezirksvertretung seitens des Magistrates zwecks Stellungnahme zu einem Flächenwidmungsplan eingeräumt worden war, mit folgender Begründung verwehrt: die Frage sei geeignet, die Behörde zu überlasten (im Fall dass von vielen Personen gleichlautende Fragen gestellt würden) und überdies mutwillig gestellt, weil der Fragesteller kein erkennbares gerechtfertigtes Interesse an der Antwort habe. Sylvia Woergetter von den Salzburger Nachrichten hat unlängst in einer Diskussion über das Salzburger Wahlergebnis gemeint, die Verluste der SPÖ hätten ihren Grund darin, dass ihre Vertreter von der Bevölkerung nicht mehr ernst genommen würden. Wenn Ostermayer angesichts einer solchen Veräppelung durch einen von einem SP-Landeshauptmann regierten Magistrat erwartet, ernst genommen zu werden, dann ist sein Realitätsbezug fragwürdig. Eine „Reparatur“ wäre nur dann noch erfolgreich, wenn sie vor den Nationalratswahlen erfolgen würde. Wenn nicht, wird man sich über ein Ergebnis à la Salzburg nicht wundern dürfen.
Helmut Hofmann
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