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Welterbe – Fluch oder Segen?

Am 07.09.2016 fand im Wien-Museum eine von der Journalistin Sibylle (nicht Sybille) Hamann moderierte Podiumsdiskussion mit dem Welterbebeauftragten der Stadt Wien Rudolf Zunke, der Architektin Marta Schreieck, dem ao. Prof. für Städtebau an der TU Wien DI Dr. Erich Raith, sowie dem Kurator des Museums und zugleich „Gastgeber“ Dr. Alfred Nierhaus statt.

 

 

Nicht auf dem Podium

fand man Vertreter des Kulturgüterschutzes und Vertreter der Zivilgesellschaft. Zunke fungierte eher als ein dem Welterbe gegenüber kritischer Interessenvertreter der Stadtverwaltung als ein Sachwalter des kulturellen Erbes der internationalen Staatengemeinschaft.

Befremdlich

Es gab Voranmeldungen übers Internet. Mehrere angemeldete und rechtzeitig Erschienene fanden zumindest in den ersten 45 Minuten keinen Sitzplatz.

„Wortmeldungen“ aus dem überfüllten Auditorium gab es nur schriftlich (auf Kärtchen) als „Fragen“ an das Podium. Ihre meist summarische Verlesung oblag der zensurierenden Auswahl durch die Moderatorin, die sich durch deutliche Positionierung für den „Fluch Welterbe“ auszeichnete. Daher ist es verständlich, dass die Frage, ob der Welterbevertrag nun erfüllt, missachtet oder aufgekündigt werden solle, gar nicht erst erwähnt wurde.

Zum Thema

Unter welchem Einfluss muss man eigentlich stehen, um das Kulturgut dieser Welt mit der Frage nach Fluch oder Segen zu verbinden? Einer Frage, die nicht sinnvoller anmutet als die nach „Welterbe – kalt oder warm, hart oder weich, schnell oder langsam?“

Sinnvoll ist die Frage nicht, aber populistisch, weil sie sich nicht an den Verstand, sondern an typisch pseudoreligiöse Gefühle wie Fluch oder Segen wendet.

Was heißt „Welterbe“?

Worüber reden wir, wenn wir „Welterbe“ sagen? Nicht die UNESCO, nicht ICOMOS oder Denkmalschützer schaffen das mit dem Prädikat Welterbe versehene Kulturgut. Es ist schon lange vor dem Prädikat auf der Welt. Die UNESCO macht lediglich auf die besondere kulturelle Bedeutung besonders wertvollen Kulturgutes aufmerksam.

Welterbe als Verpflichtung

Kulturgüter sind weder Fluch, noch Segen. Sie sind Verpflichtung. Goethe lässt Faust sagen: Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.

Das Erbe ist nur für den lästig, der damit nichts anzufangen weiß. Es ist aber auch für denjenigen kein Gewinn, der es nur um seiner selbst willen erhalten will.

Intelligente Menschen „erwerben“ ihr Kulturgut nicht dadurch, dass sie es – wie der Daesch - zerstören, sondern dadurch, dass sie sinnvoll und zugleich schonend damit umgehen.

Die Bedeutung von Kulturgut muss nicht erklärt werden. Die Republik Österreich hat sich zu seiner Erhaltung und Pflege verpflichtet und Verträge sind einzuhalten. Punkt.

Die Moderatorin wurde nicht müde, das Podium immer wieder durch gezielt populistische Fragen vom Wesentlichen abzubringen. Schon die Eröffnungsfrage „Wozu brauchen wir Welterbe?“, als handele es sich um einen vermutlich unnötigen Gebrauchsgegenstand, wurde von Zunke nicht etwa entrüstet zurückgewiesen, sondern langatmig damit zu erklären versucht, dass der Begriff Welterbe zur Durchsetzung von Interessen missbraucht werde, die Begriffe Fluch und Segen daher „gut gewählt“ seien - und es letzten Endes 2001 über Vorschlag der MA 19 zur Prädikatsverleihung gekommen sei.

Schreieck verwies darauf, dass Innsbruck eine Bewerbung um das Welterbeprädikat abgelehnt habe.

Raith fokussierte die Frage auf Wien(s Innenstadt), sprach sich vehement gegen jede Art Ensembleschutz aus und bezeichnete das auf „Balance“ abzielende Modell des Stadtkern-Schutzes als ihm „extrem unsympathisch“.

Wohltuend das hohe sachliche Niveau des Podiums, das Totschlagargumente aus der Kiste des Quargelsturzpopulismus konsequent vermied.

Statt Planung…

(Mangelnde) Stadtplanung hieß der gemeinsame Nenner des Podiums, wenngleich jede(r) etwas ganz Anderes darunter zu verstehen schien. Dies mündete in die Frage der Moderatorin: „Gibt es in Wien ein Stadtplanungskonzept und wer entscheidet?“ Es war Zunke, der an eine Aufzählung all der hochtrabenden, „einem breiten Fachdiskurs unterworfenen“ Konzepte (Stadtentwicklungsplan, Fachkonzepte, Konzepte für spezielle Fragestellungen) die Frage anschloss, wieviel der Bürger dabei mitreden solle, weil „Stadtplanung ohne Bürgerbeteiligung ein Ding der Unmöglichkeit“ sei. Zunke stellte aber in einem Atemzug auch klar, dass am Ende „die Politik“, genau gesagt der Gemeinderat, entscheide.

Gretchenfrage Bürgerbeteiligung

 In die gleiche Kerbe, nur nicht so deutlich, schlug Schreieck, wenn sie meinte, die Antwort auf die Frage, ob man Hochhäuser im historischen Bereich bauen könne, müsste von Stadtplanung und Bürgern gegeben werden. „Bürgerbeteiligung ist eine wichtige Sache, aber sie müsse richtig gemacht werden.“ „Richtig“ heißt dabei wohl so, dass man zwar auf die Mitwirkung der Bevölkerung am Prozess, nicht aber an der Entscheidungsfindung Wert lege. Feigenblätter eignen sich eben nur zum Bedecken der Blöße, aber nicht zum Gegessenwerden.

A propos Gegessenwerden: seit einem halben Jahrzehnt schon liegt eine von Aktion 21 ausgearbeitete einfache, praktikable Form der Bürgerbeteiligung bei der Vizebürgermeisterin und für Bürgerbeteiligung zuständigen Stadträtin, ohne dass wir jemals eine Reaktion darauf  erhalten hätten. Auch unser Beitrag zum Stadtentwicklungsplan, die Anregung einer klarer, einfachen und funktionierenden Bürgerbeteilligung, blieb ohne Reaktion der Stadtregierung.

Daneben und…

Eigenartig befremdlich wirkte Raiths Loblied auf die sogenannte Bürgerbeteilligung in der „Gebietsbetreuung“, in der es seit 40 Jahren sanfte Stadterneuerung gebe. Raith dürfte entgangen sein, dass sich die Stadt Wien von diesem Auslaufmodell leise verabschiedet. Einst hochgejubelt hat es sich zu einem belang- und erfolglosen Um- und Totschlagplatz für mehr oder weniger vernünftige Ideen der Kleinkosmetik bei beabsichtigten Bauten, Umbauten und Renovierungen entwickelt, in dem Beteiligungsprojekte, die nicht einmal in die Lokale Agenda 21 Eingang finden, ein letztklassiges Begräbnis erhalten.

Volltreffer!

Der erlösende Höhepunkt der Diskussion war Nierhaus vorbehalten, der endlich das Ding beim Namen nannte. „Man spricht von Mangel an moderner Architektur, während es in Wahrheit um maximale Kubatur geht.“ Ihn wundere der eigenartige Zusammenschluss von Denkmalschützern und Gegnern des Neoliberalismus nicht, wenn man sehe, dass „qualitätsvolle, intelligente Dachausbauten im Welterbe an einer Hand abzählbar“ seien. Es müsse ein klares, verbindliches Regelwerk geben. (Anhaltender Applaus des Publikums).

Im Zeichen des Krebses

Raith meinte, zu bewahren seien nur die Prinzipien des Wandels. Die gelten für alles, die Stadt dürfe nicht nur nach außen wachsen, das Zentrum müsse mitgenommen werden. Wäre er sich nicht zu gut, auch auf das gemeine Volk zu hören, hätte ihm vielleicht ein Zuruf in seinem Elfenbeinturm zu denken gegeben:

Die Stadt ist, wie der Mensch darin, ein lebender Organismus. Beider Wesen ist ständige Veränderung. Ist diese stetig und natürlich, nennt man sie Wachstum. Erfolgt sie zu rasch und unkontrolliert, nennen wir es Auswuchs. Krebs etwa  ist ein solcher; die Folgen sind bekannt.

Helmut Hofmann

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