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Experten-Republik?

Vor einigen Jahren habe ich auf der Homepage von Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung unter der Überschrift „Bananenrepublik?“ das Sachverständigen(un)wesen in Österreich wie folgt aufs Korn genommen: „Zudem gibt es nicht wenige „Sachverständige“, die ihre Gutachten nach den Wünschen der Auftraggeber verfassen.“

„Nur wenige wissenschaftliche Kapazitäten verstehen es, die Wahrheit so zu verpacken, dass der Auftraggeber vermeint, sie spräche zu seinen Gunsten, während für den aufmerksamen und sachkundigen Leser aus dem Text das Gegenteil herauszulesen ist.“

Mit einiger Verspätung hat sich nun der Standard dieser Thematik angenommen und in der Beilage der Novemberausgabe „Wirtschaft und Recht“ darauf hingewiesen, dass Sachverständige und andere Experten „nicht erst durch die Birnbacher-Affäre“ ins Zwielicht geraten seien“.

Es ist eben nicht verboten, klüger zu werden. Das Beispiel zeigt, dass dies durch die Lektüre der Aktion 21 - Homepage eher gelingt als durch die Information einer Qualitätszeitung.

Gutachter als Christkind

Immerhin: es tut wohl, Sätze zu lesen wie den folgenden: „Den Wünschen des Auftraggebers kann sich ein Gutachter nicht ganz entziehen...Der Auftraggeber hat oft ein Interesse, dass eine bestimmte Antwort herauskommt. Wenn dann im Gutachten das Gegenteil von dem drinnen steht, was er sich erwartet, wird er das Honorar nicht bezahlen.“

Das steht es wohl schonungslos schwarz auf weiß zwischen den Zeilen: die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Und Gutachter kann man (an)füttern. „Sag mir, wer das Gutachten bestellt hat, und ich sag dir, zu welchem Ergebnis es kommt.“

Charakter kostet

Allerdings könne man von renommierten Experten erwarten, dass sie Aufträge ablehnen, wenn sie die Position nicht vertreten können“ heißt es weiter. „Selbst bei einer eng gefassten Frage, die zu einer gefälligen Antwort führt, müsse sich der Gutachter des Risikos bewusst werden, dass seine Aussage in der Öffentlichkeit verkürzt dargestellt werde. Man muss sich immer fragen, wie das in der Öffentlichkeit wirkt. Das größte Risiko für den Gutachter ist es, wenn er seinen Ruf verliert.“

Na ja. Den Experten möchte ich sehen, der ein gutes Honorar so mir nichts dir nichts ablehnt, nur weil er es mit seinem Ruf nicht vereinbaren kann, das Gewünschte zu bestätigen. Das geht in der Praxis anders. Entweder dem Gutachter gelingt es, seine Expertise so zu formulieren, dass der Auftraggeber glaubt, es sei ganz in seinem Sinne, obwohl Fachleute im Ernstfall das Gegenteil herauslesen können, oder aber es ist ihm völlig egal, was die Öffentlichkeit dazu sagt. Weil ihm die sichere, oftmalige Beauftragung – etwa durch ein Land oder eine Großgemeinde – tausendmal lieber ist als öffentliches Ansehen, für das er sich nichts kaufen kann. Erlebt nicht eine unserer Bürgerinitiativen – Stichwort Luegerplatz – immer wieder von neuem, wie ein durch die von ihm geleugneten Tatsachen bis auf die Knochen blamierter Gutachter ganz munter von der Stadt weiterbeschäftigt wird, als wäre nichts gewesen? Seilschaften gibt es eben nicht nur in Niederösterreich oder Kärnten, sondern sogar im ach so lupenrein demokratischen Land Wien, wo persönliche Kontakte mehr zählen als Anstand und Moral. Da wäre doch jeder verrückt, der sein Gutachten nach bestem Fachwissen und Gewissen macht. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’.

Sie glauben es nicht?

Nähere Auskünfte erteilt Ihr Landeshauptmann und Bürgermeister.

Postscriptum

Es dürfte wohl jedem, der 1 und 1 zusammenzählen kann, bewusst sein, dass dort, wo ein Gutachten vom Gesetz bindend vorgeschrieben wird, eine Bürgerinitiative mit einem ausgezeichnet fundierten Gegengutachten aufwarten muss, um überhaupt Chancen für ihre Sachargumente zu haben. Und dieses kostet Geld. Geld, das die Finanzkraft von Initiativen nicht selten übersteigt. Für solche Auslagen – nicht für kostspielige Büros, Dienstwägen oder Repräsentationen – sollte ein Budgetposten für Bürgerbeteiligung eine Selbstverständlichkeit für jede Kommune sein, die Anspruch auf Fortschrittlichkeit erhebt. Als Bringschuld der Gemeinde, nicht als Holschuld wie eine einmalige Subvention (mit all den damit verbundenen Hürden).

MERK’S WIEN!

H.Hofmann

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