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Das „bessere“ Wasser?

Was ist besser: Brunnenwasser oder Mineralwasser vom Supermarkt? So dumm fragen kann nur, wer kein frisches Quellwasser kennt. So jemand sollte aber besser schweigen, wenn von Wasser die Rede ist.
 
Ähnlich ist es, wenn man in einer Presseaussendung liest: „Doch nach der geringen Wahlbeteiligung bei Volksbefragungen in Wien und Graz stellt sich die Frage: Was passiert, wenn Bürgerbeteiligung alle gut finden, aber niemand mitmacht? Experten streiten darüber, ob das Volk über alles abstimmen dürfen soll und ob das Parlament dann überflüssig wird. Wenn Bürger statt des Parlaments entscheiden - bringt direkte Demokratie die bessere Politik?“
 
Weltfremde Szenarien als Ausrede?
 
Wer so etwas schreibt, hat von Bürgerbeteiligung keine Ahnung und verwechselt diese mit „direkter Demokratie“. Diese hat zwar mit Bürgerbeteiligung zu tun, ist aber nur eine ihrer vielen Facetten, die nur in ganz bestimmten Fällen zum Tragen kommt, nämlich dann, wenn eine entsprechende große Zahl an Bürgerinnen und Bürgern eine Befragung oder Abstimmung verlangt. Es gehört schon eine gehörige Portion Kurzsichtigkeit, wenn nicht Böswilligkeit dazu, zu unterstellen, dass Zigtausende zwar mit ihrer Unterschrift eine Befragung verlangen, an dieser aber dann nicht teilnehmen. Echte Bürgerbeteiligung -  nicht zu verwechseln mit einer vom Bürgermeister und Landeshauptmann gnadenhalber zu ausgesuchten no na–Fragen gewährten – hat, im Unterschied zu mancher Wahl, noch nie an Desinteresse der Bevölkerung gekrankt. Gerade deshalb wird sie von den meisten Politikern so gefürchtet und mit den fadenscheinigsten Argumenten in Frage zu stellen versucht.
 
Was soll der Souverän dürfen?
 
Noch schlimmer ist es zu fragen, worüber das Volk abstimmen dürfen soll und worüber nicht. Unsere Bundesverfassung sieht verpflichtend vor, dass das Volk über eine Gesamtänderung der Verfassung abstimmen muss. Nun gibt es in einem demokratischeren Staat kein heiligeres Rechtsgut als eben diese Verfassung. Wer immer über deren Änderung entscheiden darf, ist der wahre Souverän, der keine innerstaatliche Instanz über sich weiß. Daher sollte ihm auch keine andere innerstaatliche Instanz, nicht einmal die von ihm gewählte, vorschreiben können, worüber er entscheiden darf und worüber nicht. Wer (alleine!) über die Verfassung entscheiden darf, muss auch über alles andere entscheiden dürfen. Dieses Recht willkürlich einzuschränken ist ein ungeheurer Angriff auf ein demokratisches Grundrecht und eine unverschämte Bevormundung des Souveräns.
Es ist schon klar: nicht immer ist der freie Wille der Bevölkerungsmehrheit für die handelnden Politiker angenehm. Auch ist er manchmal zwar für die Gegenwart, nicht aber für die Zukunft das Richtige. In letzterem Fall bleibt immer noch die Möglichkeit einer Korrektur; Volksentscheide sind nicht in Stein gemeißelt. Und vor allem steht nirgends, dass Volksentscheide ohne gehörige Vorbereitung durch ausreichende Information und Diskussion über die Bühne gehen sollen, auch wenn die gelegentliche Befragungspraxis unseres Landes wie erst jüngst eher das Gegenteil vermuten ließe.
 
Macht das Parlament die bessere Politik?
 
Genau da sind wir beim letzten Punkt angelangt: „Wenn Bürger statt des Parlaments entscheiden - bringt direkte Demokratie die bessere Politik?“ Die Frage sollte besser lauten: bringt direkte Demokratie politische Entscheidungen, die auf breiterer Basis, ausführlicher und auf Grundlage besserer sachlicher Informationen getroffen werden? Seien wir ausnahmsweise einmal ehrlich: niemand glaubt heute noch an die bessere Qualität der (in Wahrheit von Parteiführungen gelenkten) Parlamentarierentscheidungen angesichts einer täglichen Praxis, die uns das genaue Gegenteil demonstriert. Dazu muss man gar nicht erst in eines unserer Nachbarländer schauen, wo eine durch einwandfreie Wahlen legitimierte Regierung im Rahmen der geltenden Verfassung tun und lassen kann, was ihr beliebt. Sie hat über sich kein rechtsstaatlich beeinflussbares Korrektiv, das noch vor dem nächsten Wahltermin mit den volks- und staatsschädlichen Auswüchsen einer wild gewordenen, alleine regierenden Partei Schluss machen könnte. Wer gegen solche Auswüchse der parlamentarischen Demokratie wettert und verzweifelt nach einem Ausweg aus solchem Dilemma sucht, sich aber im eigenen Land gegen eine verfassungsrechtlich verankerte Notbremse gegen bedenkliche Beschlüsse des Parlaments sträubt, handelt unüberlegt und leichtfertig.
 
Falsche Fragen – dumme Antworten
 
Wer (etwa auf facebook) fragt, "Würden mehr Volksabstimmungen Ihre Zufriedenheit
mit der Demokratie in Österreich steigern?", hat den Sinn der direkten Demokratie nicht begriffen. Es geht nicht darum, regelmäßig das Volk zu befragen oder abstimmen zu lassen. Schon gar nicht geht es um die Anzahl der Volksabstimmungen. Es geht vielmehr darum, dass die Bevölkerung dort, wo ihrer Meinung nach die Parlamentarier versagen, das Heft in die Hand nehmen kann – selbst gegen den Willen der regierenden Parteien – und in diesen wenigen Fällen die Entscheidungen selbst trifft. Dafür, dass dies nicht zu oft geschieht, werden dann jene Parlamentarier, die bei der nächsten Wahl wieder gewählt werden wollen, schon sorgen. Sie werden – wetten? – wieder mehr Kontakt mit ihren Wählerinnen und Wählern suchen und dabei erkunden, wie die Bevölkerung tickt. Sie werden den Dialog mit ihr suchen, sie auch von ihren Ansichten zu überzeugen versuchen oder aber, sich von den Argumenten derer, die sie vertreten, überzeugen lassen. Das wäre die wahre, partizipative Demokratie, deren Verwirklichung die in der Aktion 21 vereinigten Menschen unabhängig, unbeeinflusst und uneigennützig anstreben.
 
Helmut Hofmann
Aktion 21 - pro Bürgerbeteiligung (www.aktion21.at)
und Aktion 21 - Austria
 

 

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