Wer noch Zweifel hat, ob der Wahlkampf für die nächsten Nationalratswahlen begonnen hat, muss nur sehen, wie SPÖVP spät, aber doch ihre Liebe zur Bürgerbeteiligung entdecken. Es ist geradezu rührend, wie sie wetteifern und dabei versucht haben, ein laufendes Volksbegehren zu diesem Thema durch lautes Hurragebrüll zu übertönen oder als überflüssig erscheinen zu lassen.
Plumpes Anbaggern
Die SPÖ überschlägt sich direkt in dem Bestreben, dem Volk Vorschläge abzuringen, die schon vor Jahren Versprochenes wieder aus der Schublade hervorholen sollen. Die ÖVP wiederum versucht, unter dem Mäntelchen eines überparteilichen Vereins ihren Obmann als demokratische Wunderwaffe zu verkaufen, der nur noch auf geeignete Vorschläge aus dem Volk wartet, um sie – zumindest die von ihm für die besten gehaltenen – rasch und zuverlässig umsetzen zu können. Wer’s glaubt, wird selig. Anbaggern nennt man diese plumpe und schamlose Art und Weise, sich das längst verlorene Wählervertrauen wieder zu erschleichen.
Eine müde Farce
Die ÖVP hat sich wieder einmal etwas einfallen lassen. „Was ist Ihr Anliegen für Österreich? Österreichs Zukunft positiv mitgestalten! Schreiben Sie uns Ihr persönliches Anliegen für Österreich!“ Mit diesem Slogan versucht die ÖVP, sich als Bürgerbeteiligungspartei zu präsentieren. Es ist schwierig zu beurteilen, ob sie mit der Materie Bürgerbeteiligung so wenig anzufangen weiß, dass sie aus Unbedarftheit mit untauglichen, um nicht zu sagen lächerlichen Mitteln versucht, sich als Anwalt der partizipativen Demokratie zu gebärden. Wer sich, wie die Salzburger ÖVP, als einzige politische Kraft immer noch mit geradezu kindischem Trotz gegen ein bahnbrechendes Beteiligungsmodell sperrt, und gleichzeitig auf Bundesebene so tut, als würde sie genau dieses Modell zur Bedingung einer künftigen Regierungsbeteiligung zu machen, verliert bei allen denkenden Bürgerinnen und Bürgern den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Bei diesem Hintergrund wird ein „überparteilicher“ Verein, dessen Exponenten sich in der Lobhudelei gegenüber ihrem Bundesparteiobmann überschlagen, zu einer müden, lächerlichen Farce. Dass dann die den Bürgerinnen und Bürgern abverlangten Vorschläge und guten Ideen nicht nur einer Zensur (die verständlich wäre), sondern auch noch einer Bewertung durch die Partei unterworfen werden, ehe sie von ihr übernommen werden, verwundert da nicht. Man mag es halt niemandem verübeln, wenn er dahinter die Absicht vermutet, treue VPler würden schon für eine Reihe mit der Parteilinie übereinstimmender Vorschläge sorgen, denen man dann – nona – den Vorzug vor anderen, vielleicht weniger bequemen Forderungen geben würde.
Bauernfang?
Nicht ganz lustig wird es, wenn man versucht, der Einladung zur Einbringung von (mit 1000 Anschlägen gedeckelten) Vorschlägen nachzukommen. Wer glaubt, mit der noch verständlichen Bekanntgabe seiner Identität einschließlich Mailadresse und Telefonnummer endlich anbringen zu können, was man sich von der Seele geschrieben hat, wird enttäuscht: man muss auch noch mit folgendem Passus einverstanden sein: „Ich erkläre mich hiermit bereit, den überparteilichen Verein „Anliegen für Österreich“ zu unterstützen und bin einverstanden, dass meine Daten elektronisch gespeichert und mein Name und Foto für Kommunikationsaktivitäten des Vereins (z.B. im Buch der Anliegen oder im Internet) verwendet werden.“ Unterstützen? Gibt man damit die Zustimmung, täglich mit Schnorrbriefen molestiert zu werden, zur Mitarbeit in der Partei aufgefordert zu werden, den eigenen Namen in Werbebroschüren als Spindi-Freunde wiederzufinden? Und das alles verpackt in eine Art „Petition“, in der man ein politisches Anliegen in wohlgesinnte Hände legen soll? „Sie haben gewonnen!“ als Bauernfang eines Abzockers wirkt dagegen ehrlicher, weil auf diesen „Gewinnschmäh“ ohnedies niemand mehr hereinfällt. Der Missbrauch des „Beteiligungsschmähs“ durch die ÖVP ist da schon wesentlich undurchsichtiger und damit gefährlicher.
Traute Zweisamkeit
Wo die ÖVP schmähtandelt, kann die SPÖ nicht zurückstehen. Prompt hört man auch von ihrem neuen alten Parteisekretär: „In allen 39 Wahlkreisen will die SPÖ "Bürgerdialogforen" einrichten und interessierte Bürger um ihre Meinung fragen: Mit "Dialogkarten" können Bürger dann ihre Forderungen und Wünsche in das Wahlprogramm der SPÖ einbringen. "Wir versprechen, dass die Ideen der Bürger in unser Wahlprogramm einfließen werden", sagt Darabos. Freilich wird es einen "Filter" geben... Fragt sich nur, wer diesmal wen kopiert hat.
„Wir sind eh so lieb, wir geben euch eure Bürgerbeteiligung, wir hätten das ja schon längst getan, wenn nicht der (jeweils) böse Koalitionspartner blockiert hätte!“ Solches oder Ähnliches wird den Herren Darabos und Kopf schon einfallen, wenn man ihnen vorhält, sie kämen nur allzu spät darauf, sich endlich zum ungeliebten Kind Bürgerbeteiligung bekennen zu wollen. Wobei trotzdem bis zum Beweis des Gegenteils die Unmutsvermutung gilt. Einschließlich des alten Adenauer-Sagers, der nach den Wahlen zu erwarten ist: „Was interessiert uns unser Geschwätz von gestern...“
Hier und jetzt, nicht übermorgen
Die ÖVP hat in Salzburg die Möglichkeit zu zeigen, dass sie Bürgerbeteiligung ernst meint, indem sie für das Salzburger Modell stimmt. Die SPÖ hat in allen von ihren Parteigenossen und Parteigenossinnen regierten Ländern – einschließlich Wien – die Möglichkeit, die ÖVP beim Wort zu nehmen und eine wirksame Bürgerbeteiligung gesetzlich zu installieren. Wohlgemerkt: keine direkte Demokratie mit all den pro- und kontra-Argumenten, langwierigen Diskussionen über Unwesentliches und halbherzige Realisierungen zum Nimmerleinstag, sondern die Beteiligung, die wir von unserer FEE wünschen: frühzeitige, ehrliche und ergebnisoffene Einbindung der betroffenen Bevölkerung in in die Planung und Entscheidung von Vorhaben, die einen nachhaltigen Einfluss auf die Struktur, die Steuerung, den Ablauf oder die Kontrolle des öffentlichen Lebens haben. Das könnte – unabhängig von den Wahlen zum Nationalrat – in allen Bundesländern in wenigen Monaten verwirklicht werden, wenn es SPÖ und ÖVP wirklich wollen. Alles andere ist leeres Gerede, das nicht geeignet ist, das verlorene Vertrauen wettzumachen.
H.Hofmann
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