Stimmt es wirklich, dass durch Partizipation die ohnedies (zu) langen Planungsprozesse noch mehr in die Länge gezogen werden? Oder ist es nur eine auf nichts gegründete Behauptung zur Vermeidung von unangenehmer Transparenz?
So, wie die erst jüngst vom EuGH verworfenen österreichischen Regeln für die Umweltverträglichkeitsprüfung aussehen, trifft beides zu. Der Gesetzgeber hat unter dem Motto „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ versucht, Umweltverträglichkeitsprüfung so zu konzipieren, dass ihr Zweck möglichst nicht erreicht werden kann und Projektbetreibern alle Umweltschutzmaßnahmen aus dem Weg geräumt werden. Es war ein Schuss ins eigene Knie. Bürgerinitiativen wurden von vorneherein als Projektfeinde hingestellt und mit allen Mitteln bekämpft. Die Initiativen haben sich nach Kräften dagegen gewehrt. Die Folge: Verfahren dauerten in Österreich länger als sonst irgendwo.
Nicht nur wegen der „Ohrfeige“, die Österreich nun vom EuGH bekommen hat, erwies sich diese Politik als kurzsichtig. Zwar ist - aus stark verkürzter Sicht - die Einbindung der Bevölkerung zunächst mit einer Verzögerung zu Beginn eines Planungsprozesses verbunden. Dabei können aber aus der Bevölkerung wertvolle Hinweise für die Planer kommen, die in der Folge sogar zu einer erheblichen Beschleunigung führen können. Auch die Akzeptanz eines Projekts in der Bevölkerung und damit dessen Nachhaltigkeit wird durch frühzeitige, ehrliche und ergebnisoffene Einbindung der Betroffenen in die Planung gefördert. Wenn dadurch zeitraubende und umständliche Umweltverträglichkeitsprüfungen vermieden werden können, liegt der Vorteil für die Planer auf der Hand.
Die Verweigerung rückhaltloser Informationen erweckt in der Bevölkerung den Eindruck, es gehe nicht mit rechten Dingen zu. Wo es an Transparenz mangelt, ist für gewöhnlich Korruption nicht weit weg. Da wird dann Umweltverträglichkeit mit Projektverträglichkeit verwechselt, koste es, was es wolle. Für eine gelungene Kooperation sind das wohl die schlechtesten Ausgangsbedingungen. Im Endeffekt profitieren davon weder die Projektbetreiber, noch die Initiativen, sondern höchstens teure Experten und Verwaltungsträger, deren oft perfide Verzögerungstaktik letzten Endes künstlichen Zeitdruck hervorruft.
Rufen dann beherzte Bürgerinnen und Bürger zum Widerstand gegen Unsinn, Vernichtung von Lebensqualität und Volksvermögen im Dunstkreis undurchschaubarer Vorgänge, dann kommt natürlich Sand ins Getriebe. Als „Schuldige“ werden freilich immer nur die bösen Initiativen und nie die wahren Drahtzieher ausgemacht, die auf ein Überraschungsmoment gesetzt haben und deren Rechnung nun nicht aufgeht.
Wenn schon die Politik sich ziert und Bürgerbeteiligung zwar mit Worten gutheißt, aber Taten scheut wie der Teufel das Weihwasser, dann sollten wenigstens die Planenden so klug sein, die Betroffenen rechtzeitig einzubeziehen, statt sie mit allen möglichen Tricks und Falschinformationen vom Planungsprozess fernzuhalten. Rechtzeitig bedeutet: in einem Vorplanungsstadium, in dem alle Beteiligten ergebnisoffen an der Verwirklichung eines gemeinsam als notwendig erkannten Zieles arbeiten. Das ist jedenfalls einer Bürgerbeteiligung vorzuziehen, die erst in dem Augenblick einsetzt, in dem ein Projekt fertig geplant ist. Niemand ändert gerne seine Planung; Widerstand gegen ein noch so gut begründetes Vorbringen von Bürgerinitiativen ist in diesem Fall vorprogrammiert. Nur ein rechtzeitig vorangehender ehrlicher Dialog unter Einbindung der zuständigen Politiker und vor allem ohne großartige Formalhürden verdient den Namen Bürgerbeteiligung. Es könnte ja sein, dass alle davon profitieren.
Helmut Hofmann
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