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Durchs wilde Pröllistan

Wie in Niederösterreich eine Bürgerinitiative mundtot gemacht wurde.

Von Herbert Starmühler

Folgendes hat sich ereignet: Über 200 Menschen sorgen sich um das Grundwasser in ihrer Heimat und beeinspruchen den Wasserrechtsbescheid eines geplanten Straßenbaus. Dies geschieht streng nach dem Reglement der diversen baurechtlichen Bewilligungs-Verfahren. Damit verzögert sich allerdings der Bau, die Behörde muss erst den Einspruch behandeln.

Nun stehen aber Gemeinderatswahlen in wenigen Monaten an. Die Bürgermeister entlang der vielbefahrenen Straße würden sehr gerne mit einer Vollzugsmeldung zum Straßenbau in die Wahlwerbung gehen. Wir argwöhnen hier einmal diesen Zusammenhang. Immerhin klagen die Anrainer seit 25 Jahren über den Verkehrslärm.

Wie kann man die Bürgerinitiative zum Aufgeben bewegen, jetzt, wo plötzlich Geld (vom Bund) und Bewegung in die Sache kommt? Eine Frage, die knifflig erscheint, und doch einfach zu lösen ist - vorausgesetzt man ist nicht allzu skrupulös. Denn dann bietet sich folgende Strategie an:

 

1) Man bezeichnet die Initiativler als Verhinderer und schiebt ihnen gleich jahrelange Verzögerungen in die Schuhe.

2) Man ruft auf, gegen sie zu demonstrieren.

3) Man identifiziert in der Öffentlichkeit die schädlichen Rädelsführer.

4) Man empfiehlt, vor den Privathäusern dieser Personen Demonstrationen abzuhalten.

5) Man isoliert diese Personen und haut nur mehr auf sie ein - in Flugblättern, Foren und Postings.

6) Man bedroht sie, macht ihnen Angst, versucht, ihnen beruflich zu schaden.

 

Es hat nicht viel mehr als ein Monat gedauert, bis die Strategie aufgegangen ist.

Die beiden "Rädelsführer" haben aufgegeben - sie hielten die persönlichen Beleidigungen beim Einkaufen, am Sportplatz und vor allem im gehässigsten aller "sozialer" Räume, im brutalen Internetforum, nicht mehr aus. Sie wurden beschimpft, verunglimpft und bedroht. Man unterstellte ihnen unverblümt, für die Verkehrsmisere verantwortlich zu sein.

Nun könnte man glauben, dass Polizei und Politik solch einem Treiben in Österreich Einhalt gebieten würde. Wir sind ja nicht im wilden Kurdistan anno Karl May (dort war es, der Erinnerung nach, ja noch ehrbarer).

Weit gefehlt: Für die Bürgerinitiative "A5 Mitte" bei Poysdorf gab es keine Hilfe von Seiten der politischen Obrigkeit - ganz im Gegenteil.

"Wir kapitulieren vor dem Druck und den sehr persönlichen Angriffen", denen man in den vergangenen Wochen ausgesetzt gewesen sei, meinten die Gründer Herbert Untner und Renate Vacha in einer Aussendung am Dienstag.

Statt wenigstens Betroffenheit zu markieren, lacht sich die politische Obrigkeit sogar noch öffentlich ins Fäustchen: "Erfreulich im Sinne der Vernunft", hieß es in einer ersten Reaktion aus dem Büro von Verkehrslandesrat Karl Wilfing (ÖVP). Dort hofft man nun, mit der Asfinag "möglichst rasch, vielleicht noch im August" den Bau des Abschnitts Schrick - Poysbrunn ausschreiben zu können. Abgehackt.

Es ist derselbe Landesrat Wilfing, der das ganze Bürgerbeteiligungs-Fiasko maßgeblich gestartet und beeinflusst hat: Er hat aufgerufen, bei den Initiatoren zu protestieren, die oben genannten Strategiepunkte 1 bis 4 hat der Landesrat gleich mal selbst in die Hand genommen. 5 und 6 erledigten dann Menschen, die von der ÖVP jedenfalls nicht behindert, dem Anschein nach aber rege gefördert wurden. Wilfing ließ sich mit ihnen gemeinsam fotografieren etc..

Fazit: Die absolut regierende niederösterreichische ÖVP, die 25 Jahre lang keine Verkehrslösung zustande brachte, hat ganze Arbeit geleistet. Die Landeszeitung NÖN berichtete im Sinne der Hauptinserenten ÖVP/Land NÖ, die Exekutive begleitete brav die "spontanen" Demos gegen die Rädelsführer und parteinahe Scharfmacher erledigten den unschönen brutaleren Teil.

Wir sollten uns hier in Österreich nicht über die despotischen Krawallpolitiker Erdogan oder Orban aufregen, wir haben genug Anschauungsmaterial im wilden Pröllistan.

Soll das so weitergehen? Ob die A5 so oder anders gebaut werden soll, ist Anschauungssache. Aber unstrittig sollten die Errungenschaften der direkten Demokratie sein. Missliebige Meinungen dürfen nicht derartig brutal mundtot gemacht werden.

Oder wie es die zermürbten "Rädelsführer" Herbert Untner und Renate Vacha formulieren:

"Unser Engagement stand zuletzt in keinem Verhältnis zur üblen Nachrede, den Verleumdungen und Gewaltandrohungen, denen wir und unsere Familien ausgesetzt waren. Wir haben Bürgerbeteiligung für eine Errungenschaft des demokratischen Interessensausgleichs gehalten, für eine fortschrittliche Entwicklung im Verhältnis zwischen Staat und Bürger.

Das Instrument, um das so lange gerungen wurde, geht zu Grunde, wenn normale Bürger nicht mehr bereit sind, Zeit und Geld dafür aufzuwenden, um bei Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen, mitzureden. Politiker sind verantwortlich dafür, dass in der Sache hart gestritten werden kann, dabei aber die Grenzen eines zivilisierten Umgangs gewahrt bleiben.

Was uns bestürzt, ist, dass auch für uns alle eine Menge auf dem Spiel steht, nämlich demokratiepolitisch."

 

Dr. Herbert Starmühler ist Unternehmer in Wien und Obmann des neuen Verbands PLATTFORM BÜRGERINITIATIVEN mit Sitz in Korneuburg.

Email: herbert@starmuehler.at

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