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Wie hätt ma’s denn gern? Bürgerbeteiligung ohne Bürger

Das politische Establishment bekommt es mit der Angst vor der eigenen Courage zu tun. Haben sich da nicht die Regierungsparteien in ihren Bekenntnissen zur Partizipation geradezu überschlagen, haben sie alle beide nicht versucht, sich als den jeweils glaubwürdigeren Verfechter von mehr Bürgerbeteiligung darzustellen? Jetzt, so scheint es, wo es Ernst werden könnte, hat sie der Mut verlassen und Absetzbewegungen werden unübersehbar.

Beteiligung à la Voves

Da liest man etwa in einem Interview mit dem sich sehr fortschrittlich gebenden Landeshauptmann Voves zum Thema „Direkte Demokratie“: „Wir sind nicht in der Schweiz. Ich glaube nicht, dass man bei uns damit zu den notwendigen schnellen Entscheidungen kommt. Diese Modelle der direkten Demokratie entsprechen nicht unserer Tradition.“ Und dann sieht er die Dinge sehr „pragmatisch“:„Wer geht bei uns zu Volksabstimmungen?“ Doch nur die, die gegen etwas sind. Die, die dafür sind, gehen meist nicht hin. Man kann sich vorstellen, was da rauskommen könnte bei wichtigen Fragen. Ich bin eher für ein Mehrheitswahlrecht.“
Dass dem steirischen Landeshauptmann solche Ansichten nicht der Heilige Geist eingibt, bestätigt ein Interview mit dem Herrn Bundespräsidenten, der auf die Frage, ob „permanente Volksabstimmung wie in der Schweiz“ nicht sein Vorbild sei, wie Voves gemeint hat, „Das entspricht nicht der österreichischen politischen Tradition“.
Sozialisten als Gralshüter von Traditionen, die aus dem vorigen Jahrtausend stammen? Ist das alles, was von einer einst fortschrittlichen Ideologie übrig geblieben ist?
Voves spricht Klartext. Man müsse Frauen und Männern „von außen“, die sich einbringen, „auch Mandate geben“. Ja bitte? Wer „gibt“ Mandate? Wer ist dieser „man“? Die Wähler? Falsch geraten. Die hat Voves wohl nicht gemeint. Wohl aber seine Partei, der er’s gründlich „einigsagt“ hat. Und: „Wir müssen auch auf diese Bewegungen zugehen und sie einladen, ein Stück des Weges mit uns zu gehen.“ Aha, ein Stück des Weges – wohin? Das Ziel dieses Weges bleibt unklar. Hauptsache, es geht jemand mit, auch wenn’s ins Verderben ist. Begleitet stirbt sich’s leichter.

Seltsame Vorstellungen von Beteiligung

Voves sagt also, welche Art von Beteiligung warum nicht in Frage komme. Er spricht Modellen der direkten Demokratie die Eignung zu den notwendigen schnellen Entscheidungen ab. Vielleicht meint er allen Ernstes, das derzeitige System eigne sich dafür besser, obwohl er an anderer Stelle sagt, der Vorwurf der Trägheit in der Entscheidungsfindung in den Parteiapparaten bestehe zu Recht. Davon, dass es nicht so sehr um schnelle, sondern richtige Entscheidungen gehe, spricht er lieber überhaupt nicht. Ebenso wenig setzt er sich mit partizipativer Demokratie auseinander, die er geflissentlich ignoriert. Und er gibt sich mit dem Herrn Bundespräsidenten sehr traditionsbewusst, wenn es gilt, mehr Bürgerbeteiligung abzulehnen. Wohl weil er auch zu denen gehört, die seiner Meinung nach nur dagegen sind, wogegen die Befürworter seiner Meinung nach dazu neigen, zu Hause zu bleiben. Da fragt man sich nur, wie Voves auf die skurrile Idee kommt, dass es sich bei den zu Hause Bleibenden um Befürworter handelt – kann er die Gedanken von Hunderttausenden lesen? Oder will er der nicht ganz neuen Doktrin Vorschub leisten, dass bei Abstimmungen die Stimmen derer, die nicht für Ja oder Nein gestimmt haben, den Jastimmen zuzurechnen sind? Zumindest dann, wenn es um eine von der Regierung gewollte Vorlage geht? „Pragmatisch“ nennt Voves diese Sicht. Im Interesse seiner Partei stimmt das wohl.

Gefahrenherd Bevölkerung

Die Hose lässt Voves runter, wenn er sagt: „Man kann sich vorstellen, was da rauskommen könnte bei wichtigen Fragen“. Ja natürlich. Es könnte etwas anderes herauskommen als die Parteiführung der SPÖ zum Ergebnis haben will. Und das darf doch wohl nicht sein. Im Interesse des Staatsganzen, im Interesse der auf den guten alten Kaiser zurückweisenden Repräsentanten-Tradition und natürlich auch im Interesse derer, die derzeit alle Macht in den Händen haben und sie weidlich missbrauchen. Dass einem da wer auf die Finger schauen sollte? Da könnt’ ja jeder kommen, wo wir das immer schon so gemacht haben, in guter alter Korruption – äh, wollte sagen Tradition?
Gewisse Parallelen mit der Kaiserzeit drängen sich auf. Auch die hat im Volk einen gefährliche Regimefeind gesehen, den man zwar gebraucht hat, beispielsweise zum Krieg führen, den man aber ängstlich überwacht hat, damit er sich ja nicht von seinen Fesseln befreit und Unfug anrichtet. Der Treppenwitz der Geschichte: es waren Sozialdemokraten, die gegen diese Repression gekämpft haben, aufrechte, mutige Menschen. Wo sind sie nur geblieben?
Voves hat nur in einem Recht: man hat kein Vertrauen mehr in die Strukturen der Großparteien. „Erst kommt die Truppe, dann die Moral“schrieb Henryk Broder im Standard vom 26. Mai 2012. Das war gemünzt auf die Piraten, Burschenschaften, Kegelklubs und mafiöse Organisationen eingeschlossen. Die ehemaligen Großparteien hat er dabei vergessen, es sei denn er rechnet sie insgeheim einer der genannten Formationen zu.

Mit Blindheit geschlagen

Der dramatische Vertrauensschwund in das politische System ist auch für Voves evident. Die Konsequenzen daraus zu ziehen scheut er aber so wie seine Politikerkolleginnen und –kollegen. Sehen sie denn nicht, warum sich da in der Bevölkerung etwas zusammenbraut? Sind sie denn so unsensibel, dass sie glauben, mit fadenscheinigen Argumenten gegen eine langsame Öffnung der repräsentativen Demokratie in Richtung Partizipation den Zug der Zeit aufhalten zu können? Glauben sie wirklich, dass Österreich eine Insel der Seligen bleiben werde, auf der all das, was in Europa und seinen Umländern stattfindet, nicht sein kann? Glauben sie, dass die Warner, denen an einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat wirklich viel liegt, nur lästige Querulanten sind, die nicht glauben wollen, dass die von den Parteien Nominierten und von der Bevölkerung notgedrungen Gewählten alles und jedes besser wissen und daher alleine fähig sind, gute Entscheidungen zu treffen? Oder sind für sie gute Entscheidungen nur solche, die ihrer Partei nützen?

H.Hofmann

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