Kreativität beim Stimmenfang kann wahlentscheidend sein. Nicht nur in die beabsichtigte Richtung. Die Wahlen in den Gemeinderat haben gezeigt, dass „kreative“ Schüsse auch nach hinten losgehen können.
Wählertäuschung statt Wählerinformation
Auf einer dem offiziellen Briefkopf des Bürgermeisters täuschend ähnlichen Nachbildung versandte Bürgermeister Alfred Stachelberger folgende Wahlwerbung für sich und damit für die Partei, auf deren Liste er kandidierte (SPÖ):
Schuss ins eigene Knie?
Vielleicht haben etliche der EU-Bürger von St. Andrä-Wördern im Namen und mit amtlichem Briefpapier des Bürgermeisters dessen Liste (SPÖ) wählen wollen. Vielleicht haben dies sogar einige getan, trotz dieser unsäglichen Wählertäuschung. Viele waren es sicher nicht, die man mit diesem verzweifelten Versuch, ein paar der dahinschmelzenden Stimmen zu retten, gewonnen hat. Verprellt hat man damit Tausende. Denn gerade jene ehrlichen Sozialisten, denen die alten Ideale ihrer Partei noch etwas bedeuteten, wenden sich angewidert ab von einem „neuen“ Sozialismus, der versucht, mit Schlägen unter die Gürtellinie wettzumachen, was seine derzeitigen Anführer an Attraktivität eingebüßt haben. Egal, ob irgendeine richtende Instanz eine Ausrede erfinden wird, um solchem Verhalten eine Absolution zu erteilen, der Wähler hat seine Antwort schon erteilt: die einstige Mehrheitspartei hält nun bei 38%, Tendenz weiter fallend, wenn sich nichts dramatisch ändert.
Politiker haben heute schwer darum zu kämpfen, in der Bevölkerung wenigstens einen Rest von Vertrauen zu behalten. Auch diesen Rest leichtfertig aufs Spiel zu setzen, ist ein untauglicher Versuch, dem fortschreitenden Wählerschwund zu begegnen.
Wahlanfechtung?
Die, denen man mit solchem Verhalten Wähler abspenstig zu machen versucht hat, denken an Wahlanfechtung. Vermutlich ohne Erfolgschancen, denn wahlentscheidend wird man den plumpen Werbungsversuch angesichts des Stimmenverlustes von mehr als 8 Prozentpunkten wohl kaum nennen können. Dennoch wird man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können.
2010, bei der letzten Gemeinderatswahl, hatte die SPÖ ihre absolute Mehrheit in St. Andrä-Wördern verloren. Es sah einer politische Neuordnung in der Gemeinde aus. Überraschend beschloss damals die Zweimann-Fraktion der FPÖ, den in seiner Stellung wankenden Bürgermeister aufzufangen und mit Hilfe ihrer Stimmen im Amt zu halten.
Er hat es ihnen gedankt, indem er seine Stellung als Bürgermeister für unfaire Wahlwerbung benützt hat. Die Empörung der unbedankten Mehrheitsbeschaffer kommt zu spät. Ihr wenig berauschender Stimmenzuwachs sagt ihnen, sie hätten besser daran getan, sich des alt-germanisches Rechtssprichworts zu besinnen, das seine Aktualität bis heute bewahrt hat: Trau, schau, wem.
Was nun?
Noch ist der nächste Bürgermeister nicht gewählt, aber wer immer seine Stimme für den noch amtierenden abgeben sollte, disqualifiziert damit sich und seine Partei als jemand, für den der inkriminierte Vorgang nichts Besonderes darstellt. Man kann und darf in einem demokratischen Rechtsstaat solche „Ausrutscher“ nicht unwidersprochen hinnehmen, nicht einfach zur Tagesordnung wie gehabt übergehen. Das Wahlergebnis sollte als deutliche Warnung dienen.
Es hilft auch nichts, wenn ein anderer die Verantwortung auf sich nimmt. Ein Bürgermeister, unter dem – noch dazu in seiner eigenen Partei – so etwas „passieren“ kann, sollte wissen, was er zu tun hat.
Das Archiv, sagt man, sei das Gedächtnis einer Zeitung. Auch „Bürger für Bürger“ (B4B) hat begonnen, ein Archiv anzulegen, ein Archiv von Versäumnissen der Obrigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Es wird unser ständiger Begleiter sein.
H.Hofmann
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