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Verwaltungsgerichtshof klärt Rechte von Umweltorganisationen im Forstverfahren

Die ersten Gesetze zur weiteren Umsetzung der Aarhus Konvention im Bereich Rechtsschutz wurden letztes Jahr auf Bundes- und Landesebene erlassen.

Diese beziehen sich auf die Bereiche Abfall, Luft, Wasser und bei den Ländern Naturschutz, Jagd- und Fischerei. Mit Erkenntnis vom 20.12.2019 stellte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nunmehr fest, dass anerkannten Umweltorganisationen in Verfahren nach dem Forstgesetz (ForstG) mit FFH-Bezug Parteistellung zu gewähren ist. Außerdem bekräftigt der Gerichtshof die Verpflichtung der nationalen Behörden und Gerichte unmittelbar anwendbarem Unionsrecht – wie hier dem Art 6 Abs 3 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) – auch durch das Gewähren des Anwendungsvorrangs Geltung zu verschaffen.

Parteistellung geboten, um Rechtsschutz zu gewährleisten

Die BH Zell am See bewilligte die Fällung von ca. 100-120 fm Holzmasse in Form von Einzelstammentnahmen in einem Schutzwald in der Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern. Der Wald liegt im Natura 2000-Gebiet und ist ein Alpiner Lärchen- und Zirbenwald von gemeinschaftlichem Interesse nach der FFH-RL. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Salzburg hatte die Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass „das Forstgesetz für die vorliegende Zirbenfällung kompetenzmäßig im Lichte des Art 10 Z 10 B-VG keine Grundlage zur unmittelbaren Anwendung der FFH-RL auf dem Boden der Aarhus-Konvention" biete und eine Parteistellung im Fällungsbewilligungsverfahren nicht auf innerstaatliches Recht gestützt werden kann.

Im ForstG findet sich zwar keine ausdrückliche Zuerkennung der Parteistellung an eine Umweltorganisation. Unter Verweis auf die Rechtssache EuGH Protect (EuGH 20.12.2017, Rs C 664/15) hält der VwGH jedoch fest, dass anerkannte Umweltorganisationen an Entscheidungen im Rahmen von Art 6 Abs 3 FFH-RL teilnehmen (Parteistellung) und diese bekämpfen können müssen. Da nach der österreichischen Rechtsordnung eine Verknüpfung zwischen bestehender Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren und dem Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht, muss anerkannten Umweltorganisationen sowohl im Anwendungsbereich des Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention (bei Bejahung erheblicher Umweltauswirkungen) als auch im Anwendungsbereich des Abs 3 leg cit (bei Verneinung erheblicher Umweltauswirkungen) ein Recht auf Teilnahme bereits am behördlichen Verfahren zugestanden werden (vgl. Rn 27 und VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055).

Österreichische Behörden und Gerichte haben unmittelbar anwendbarem Unionsrecht zur Geltung zu verhelfen

Nach Art 6 Abs 3 FFH-RL erfordern Pläne oder Projekte eine Verträglichkeitsprüfung auf die festgelegten Erhaltungsziele. Ausgenommen davon sind sie, wenn sie nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Schutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind. Weder das Salzburger Nationalpark- noch das Naturschutzgesetz sehen eine diesbezügliche Bewilligungspflicht vor. Die Fällungen waren ausschließlich Gegenstand eines Bewilligungsverfahrens nach dem ForstG iVm der Schutzwaldverordnung.

Der VwGH bekräftigt in seiner Entscheidung die Verpflichtung von Verwaltungsbehörden und Gerichten, dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht Geltung zu verleihen. Nationale Gerichte als Organe des Mitgliedstaates haben in Anwendung des in Art 4 Abs 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte zu schützen, die es den Einzelnen verleiht. Gegebenenfalls haben sie jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen. Verwaltungsbehörden und -gerichte müssen also im Anwendungsbereich des Unionsrechts die davon betroffenen Normen identifizieren und entsprechend auslegen. Dabei haben sie auch die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Aufgrund des Vorranges der gemeinschaftsrechtlichen FFH-RL und der sich daraus ergebenden Konsequenz, dass die Vereinbarkeit der forstrechtlichen Bestimmungen mit den Zielen und Vorgaben der FFH-RL gegeben sein muss, hat die Forstbehörde in diesem und ähnlich gelagerten Fällen auch die Frage der Vereinbarkeit von beantragten Fällungen mit den Schutzgebieten der FFH-RL zu berücksichtigen.

Umsetzung von Naturschutz-Richtlinien und Aarhus Konvention ins Forstrecht

Die Entscheidung des VwGH zeigt einerseits, dass der Umsetzung der Aarhus Konvention durch den österreichischen Gesetzgeber noch nicht Genüge getan wurde. Andererseits kommt erneut hervor, dass im Forstrecht – sowie im Naturschutzrecht – ein Handlungsbedarf besteht um gemeinschaftsrechtlichen den Erfordernissen des Naturschutzes Geltung zu verleihen (vgl. auch Mauerhofer, Gemeinschafts- und verfassungsrechtlicher Handlungsbedarf im Forstrecht (Teil 2), RdU 03/2016, 107 und Mauerhofer, Nationalparkrecht – Im Spannungsfeld von bundesstaatlicher Kompetenzverteilung, Europarecht und Naturschutzpolitik (1998) 77). Fällungs- und Rodungsbewilligungen mit Auswirkung auf Natura2000-Gebiete werden von der Forstbehörde in der Praxis und in der Regel nicht auf ihre Naturverträglichkeit geprüft. Insbesondere, wenn dazu parallel kein Naturschutzverfahren geführt wird, endet das in einer systematischen Nichtbeachtung von Naturschutzkriterien im Wald und schadet den für diese Gebiete festgelegten Erhaltungszielen.

Weitere Informationen:

Die besprochene Entscheidung: VwGH 20.12.2019, Ro 2018/10/0010

EuGH 20.12.2017, Rs Protect, C 664/15

VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055

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