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Mit dem Rücken zur Wand

Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet Argumente. Letzteres trifft auf die erbärmlichen Begründungen zu, mit denen ein zartes Aufkeimen direktdemokratischer Instrumentarien zunichte gemacht werden soll.

Konsterniert stellen höhere und höchste politische Würdenträger fest, dass über die Notwendigkeit eines frischen Windes in die verkrustete demokratische Struktur unseres Landes ein nahezu flächendeckender Konsens besteht – zumindest im Volk, dem Souverän. Da könnte einem gestandenen Berufspolitiker angst und bang werden. Aber er wagt es nicht, mit dem Rücken zur Wand offen dagegen anzukämpfen, zu sagen „alle Macht uns gewählten Volksvertretern, wir verstehen alles besser, deshalb werden wir gewählt“, „wir sind die Experten, das Volk ist dumm und irrtumsanfällig“. Nein, das getraut man sich dem Souverän nicht ins Gesicht zu schleudern, der könnte ja dann bös werden und nächstes Mal jemand anderen wählen.

Wohlgemerkt: nächstes Mal, das war nach längstens 4 Jahren; die Volksvertreter, die es ja so gut mit dem Volk meinen und auch alles besser wissen, haben das vor einigen Jahren auf 5 Jahre verlängert, damit sie genügend lange ungestört „arbeiten“ können, und wahrscheinlich wird ihnen, wenn es so weitergeht, auch das nicht genügen und aus zunächst 5 Jahren könnten 6 oder mehr werden, so lange, bis überhaupt nicht mehr gewählt werden muss. Sage niemand, das sei unwahrscheinlich. Es gibt genug Beispiele für eine solche Entwicklung, einst und jetzt, im Inland und im Ausland.

„Bedenken“ statt Argumenten

Um dem Volk die Entscheidungsbürde abzunehmen, sind unsere politischen Eliten auch nicht um zu „Bedenken“ abgeschwächte Argumente verlegen. Um saublöde noch dazu. So lautet das jüngste, bei einer verpflichtenden Volksabstimmung (d. h. einer, die nicht vom Parlament initiiert, sondern vom Volk gegen den Willen seiner gewählten Vertreter „erzwungen“ wird) könnte etwas herauskommen, das gegen EU-Recht oder Menschenrechte verstößt. Als ob dies nicht auch bei Beschlüssen unserer Volksvertreter gang und gäbe wäre! Glücklicherweise gibt es ja übergeordnete Instanzen, die solche Gesetze, die gegen übergeordnetes Recht verstoßen, aufheben können. Unsere Regierungen wissen ein Lied davon zu singen. Warum sollte das nicht auch für Gesetze gelten, die durch Volksentscheide zustande kommen? Ein weiterer Torpedo gegen die verpflichtende Volksabstimmung ist, dass schon über ihre Aufnahme in unsere Verfassung eine Volksabstimmung notwendig sei. Selbstverständlich eine, die nicht vom Volk erzwungen werden kann, sondern vom Parlament angesetzt werden müsste. Und da werden unsere Abgeordneten ja nicht um Argumente verlegen sein, solches zu verhindern oder zumindest um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, hinauszuzögern (siehe oben).

Besonders dämlich ist das Argument, Volksabstimmungen seien gefährlich, weil sie von Demagogen für ihre Zwecke missbraucht werden könnten und sich – daher? – bestimmte Materien nicht für Volksabstimmungen eigneten. Über dieses Hintertürl kann man natürlich alles einer Volksabstimmung entziehen. Was dann bliebe wäre vielleicht die Entscheidungsbefugnis über die Unsterblichkeit der Maikäfer oder das Verbot der These, die Erde sei eine Scheibe. In der Schweiz riskierten Leute, die dem Volk die Entscheidung über wichtige Materien absprechen wollten, die Einweisung in eine geschlossene Anstalt. Aber es soll bei uns Leute geben, welche die Schweiz als Mutterland des Totalitarismus und Österreich als Hort der Demokratie ansehen, weil ja alles bekanntlich nur eine Frage des Standpunktes ist.

Tradition der Bevormundung?

Den Vogel abgeschossen hat mit seiner Argumentation unser Herr Bundespräsident, welcher meinte, die permanente Volksabstimmung wie in der Schweiz entspreche nicht der österreichischen politischen Tradition und den österreichischen Interessen. Ja, wenn sogar das Staatsoberhaupt behauptet, die Wahrnehmung der österreichischen Interessen solle man nicht leichtfertig seinem Souverän, dem Volk, überlassen, weil der dazu wohl nicht in der Lage sei, dann muss er sich schon die Frage gefallen lassen, welchem Vormund er im 3. Jahrtausend diese Verantwortung aufbürden wolle, von der er den Souverän auch weiterhin gerne befreit sehen will. Die Berufung auf eine politische Tradition mag ihre Berechtigung haben, wenn man an Monarchie, Ständestaat und Drittes Reich denkt. Ob diese Tradition als Argument gegen Volksabstimmungen geeignet ist, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht ist das Denken unseres Herrn Bundespräsidenten so sehr in dieser unseligen Tradition verhaftet, dass ihm Volksentscheide, die von den genannten Regimes verhindert wurden, wo immer es möglich war (und dort, wo dieses Instrument nicht mit Anstand verhindert werden konnte, im Wege totalitärer 99%- Praktiken erledigt wurden) heute noch suspekt sind.

Der Ausweg

Man mag den Kopf schütteln über so viel Rücksicht- und Vorsicht- Mentalität, hinter der nichts als die Angst vor dem Plebiszit steckt. Sie bestätigt einmal mehr die Richtigkeit der Überlegung, dass unsere repräsentative Demokratie dringend eines Korrektivs bedarf, das ihrem ausufernden Missbrauch durch die jeweils an der Macht befindlichen politischen Parteien einen Riegel vorschiebt. Das Traurige dabei ist, dass dieses Korrektiv nicht einer besseren Einsicht dieser Parteien entspringen wird, sondern nur einem immer stärker werdenden Druck der Bevölkerung, die nicht länger hinnehmen wird, dass ihre eine korrupte und indolente Kaste Überprivilegierter auf der Nase umhertanzt und ihr dabei das Geld aus der Tasche zieht. Es sollte den Herr- und Frauschaften (oder genauer und gendergerechter gesagt Seilschaften) langsam dämmern, dass der von Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung angeregte Weg der partizipativen Demokratie immer noch weniger hart und konfliktorientiert sein würde als die direkte Demokratie. Wer sich dieses Gedankens ehrlich – und nicht etwa mit den üblichen Hintergedanken - bedient, wird auch die Angst vor dem Plebiszit ablegen können. Dieses würde dann nämlich nur in jenen Fällen zur Anwendung kommen müssen, in denen auch nach längerem Bemühen ein Konsens zwischen Volk und Volksvertretern ausgeschlossen erscheint.

H.Hofmann
 

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