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Lobauautobahnprojekt um Jahre "zurückgebeamt

Lobautunnel: Gericht bestätigt Umweltorganisationen - geologische Planung muss praktisch von vorne beginnen

  • Verbesseerungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichtes setzt Autoplaner bei Hydrogeologie unter Druck
  • Beschwerdeführer in seit Jahren vorgebrachter Kritik bestätigt
  • Lobauautobahnprojekt um Jahre "zurückgebeamt"<

Wien, am 28.01.2016 (VIRUS). In einer gemeinsamen Pressekonferenz von Beschwerdeführern und Sachverständigen präsentierten die Umweltorganisation VIRUS und die Bürgerinitiative „Rettet die Lobau“, die seit Jahren gegen Lobauautobahn und Lobautunnel kämpfen den tatsächlichen Stand der Dinge in den laufenden Verfahren.

Nach der bereits als rechtswidrig erkannten, dem Projekt zugrunde liegenden "Lärmverordnung" wurde die Umweltseite nun in einem weiteren Punkt vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Wolfgang Rehm von VIRUS, UVP-Koordinator für die Vertreter der Umwelt im Verfahren:
"Dass die bei einem Doppel-Tunnelprojekt unter dem Donaustrom und im Lobaugrundwasser zentrale geologische und hydrogeologische Planung blamabel schlecht und einer staatlichen Autobahngesellschaft unwürdig ist, zeigen wir seit 2012 wiederholt auf. Die Autobahngesellschaft hat das ignoriert und wurde im UVP-Verfahren vom Verkehrsministerium mehr als verwöhnt. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht Schluss damit gemacht: ein neuer unabhängigen Sachverständiger für Hydrogeologie wurde bestellt. Aufgrund seiner Begutachtung <u>wurde ein umfangreicher Verbesserungsauftrag erteilt, der das Projekt nun weit zurückwirft." Aufgrund der engen Frist stehe das Projekt auf des Messers Schneide. "Werden die Projektunterlagen nicht bis Mitte April nachgereicht, so wird der Genehmigungsantrag zurückgewiesen. Dies wäre gleichbedeutend mit einem k.o. für die Asfinag in der UVP", so Rehm.

Dr Josef Lueger, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vom Ingenieurbüro InGEO: "Ich habe in meinen Gutachten für die Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen feststellen müssen, dass die für die Abschnitte südlich und nördlich der Donau jeweils vorgelegten Grundwassermodellberechnungen mangelhaft, nicht aussagekräftig und für die Bewertung der Umweltverträglichkeit des Vorhabens nicht geeignet sind. Verglichen mit dem Verbesserungsauftrag und dem neuen Gutachten des Gerichts war ich in manchem Punkten sogar noch zurückhaltend, ich fühle mich daher mehr als bestätigt". Der Verbesserungsauftrag sei sehr umfangreich und fundamental, gefordert werden unter anderem ein geologisches und hydrogeologisches Modell und dreidimensionale instationäre Modellberechnungen entsprechend dem Stand der Technik. "Ich würde nicht garantieren, dass er fristgerecht erfüllt werden kann, hier wären Jahre zu veranschlagen, eventuell sind auch weitere Untersuchungen bis hin zu zusätzlichen Bohrungen erforderlich", so Lueger.

Dr. Godfried Wessely hat als ehemaliger Chefgeologe der OMV maßgeblich zur geologischen Erkundung des Wiener Beckens beigetragen und kennt das äußerst schwierige "Schwechater Tief", in dem der Tunnel vorangetrieben werden sollte, quasi wie seine Westentasche. Er versteht nicht, wie es möglich ist, dass dem für die Stadt Wien so bedeutenden Schutzgut Grundwasser so wenig Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme geschenkt wird: "Dass bei einem Tunnel der in wasserführenden Grundwasserschichten vorgetrieben werden soll, ordentlich gearbeitet wird, sollte selbstverständlich sein, das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Aus Sicht der Grundwassernutzung liegt im Bereich der Lobau eine günstige Besonderheit vor: eingesenkt in einer tektonischen Depressionszone haben sich mächtige Sande eines Schüttungssystems des größten mitteleuropäischen Stromes, der Donau, erhalten. Dies bedeutet eine Gunstlage, sowohl was die Trinkwasserversorgung aus quartären Schottern betrifft als auch die Notwasserreserve der tiefergelegenen neogenen Grundwasserstockwerke, aus den so genannten Tiefengrundwässern. Weniger günstig ist es, in derart instabilem von Bruchlinien durchsetztem Untergrund mitten in einer geologischen Absenkzone einen Tunnel vorantreiben zu wollen".

Ins gleiche Horn stößt Dr. Roman Lahodynsky, Spezialist für geologische Risiken und Seismotektonik. "Es handelt sich beim Projektgebiet des Tunnels um eine stark von neotektonisch aktiven Brüchen durchquerte Zone. Der Gefährdung des Bauwerks (Tunnel inklusive langer Rampen mit Böschungen) durch zwar seltene aber starke Erdbeben wurde nicht ausreichend Bedeutung beigemessen. Es ist anzunehmen, dass in diesem nicht ohne Grund auch "Schwechater Loch" genannten Bereich Deformationsprozesse nicht nur historisch aufgetreten sind, sondern bis in die heutige Zeit andauern. In der durchgängig fragwürdigen geologischen Planung vernachlässigt wurde neben der Hydrogeologie und allgemein geologischer Primäranforderungen somit auch die Frage der Erdbebensicherheit. So ist die angesetzte Bebenstärke nicht auf dem neuesten Erkenntnisstand. Die Planer haben es verabsäumt, den Markgrafneusiedler Bruch, ein von der Wiener Becken Störung abzweigendes und bis 3,5 Kilometer an das Projektgebiet heranreichendes Nebensystem mit an der Geländeoberfläche sichtbaren und in geologischen Karten verzeichneten Abschiebungen zu berücksichtigen. An ihm sind mehrere prähistorische Beben mit Magnitude 6 nachgewiesen worden, eines erreichte sogar Magnitude 7 und ist somit das bisher stärkste nachgewiesene Beben nördlich der Alpen. Die Planer behaupten hingegen, dass Beben nur im tiefen Untergrund des Wiener Beckens stattfänden und wegen mehrere km dicker weicher Sedimente an der Erdoberfläche nichts mehr davon zu merken sei.“

"So weit ist das Bundesverwaltungsgericht aber noch gar nicht vorgedrungen. Schon mit dem hydrogeologischen Verbesserungsauftrag ist die Asfinag Baumanagement GmbH genug bedient und für längere Zeit beschäftigt" so Rehm. Sie werde wohl eine Fristverlängerung beantragen oder nach üblichem Muster irgendetwas liefern, das dann nochmals verbessert werden muss, um ihrem Schicksal zu entgehen. Anschließend wartet noch mindestens eine mündliche Verhandlung und da sitzen dann wieder wir", fasst der UVP-Koordinator die Situation zusammen. "Angesichts der nicht vor Jahresende zu erwartenden ausständigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Aufhebung der Lärmverordnung und der Tatsache, dass weitere erforderliche Genehmigungen noch gar nicht beantragt wurden, ist es unverständlich, dass immer noch der Öffentlichkeit weisgemacht werden soll, es könne 2016 gebaut werden, dies sei unmöglich. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass uns das Projekt noch jahrelang beschäftigt, die geologische Bearbeitung muss praktisch neu starten, teilweise wurde das Projekt ins Jahr 2009 zurückgebeamt sogar die Baugrunderkundung hat sich als mangelhaft erwiesen", erläutert Rehm. Er empfiehlt der Asfinag daher, in Zukunft weniger den Mund voll zu nehmen, sie sei absolut nicht in einer Lage, wo dies angebracht sei. Bis beim Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung fallen werde, ob das Projekt überhaupt realisiert werden darf, werde die Politik noch sehr lange Zeit haben zu diskutieren, ob die Lobauautobahn umgesetzt werden soll. "Wir fordern jedenfalls den neuen Verkehrsminister auf, endlich die im Regierungsübereinkommen festgehaltene Evaluierung des Rahmenplans-Straße zu starten, nachdem S1 und die Satellitenprojekte S8 und S1- Spange Flugfeld wie nahezu das gesamte Neubauprogramm der Asfinag stillstehen, ist dazu jetzt der geeignete Zeitpunkt," so Rehm abschließend.

Rückfragen & Kontakt:

Wolfgang Rehm , 0699/12419913, virus.umweltbureau@wuk.at

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