Ohne EU gäbe es keine gesetzliche Auskunftspflicht der Behörden. Nicht wenige sehen selbst in den leider sehr unvollkommenen Auskunftspflichtgesetzen eine Spielwiese für Auslegungen, bei denen der naive, Auskunft heischende Bürger ausrutscht wie auf einer Bananenschale.
Die „Bescheid-Falle“
Eine der tückischsten Fallen ist die „Bescheid-Falle“. Sie wird nicht nur bei Auskunftsverweigerung gestellt, sondern dient auch als probates Mittel gegen unliebsame und unwillkommene Parteien, die man aus bestimmten Verwaltungsverfahren gerne heraushalten möchte. Was ursprünglich nur wenige Beamte wussten, greift immer mehr um sich und wird zu einer beliebten Waffe, um sich „aufmüpfige“, d. h. um ihr Recht kämpfende Bürgerinnen und Bürger vom Leib zu halten. Wie das zugeht?
Bescheid und Rechtsmittel
Das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) gewährt den Parteien einen ordentlichen Rechtszug. Er besteht darin, dass gesetzwidrige Entscheidungen (Bescheide) von Verwaltungsbehörden bei einer höheren Instanz durch Berufung angefochten werden können. Die Auskunftspflichtgesetze, die der Transparenz von Behördenvorgängen dienen sollen, sehen bei unrechtmäßiger Verweigerung von Auskünften vor, dass über diese Auskunftsverweigerung ein (durch Berufung anfechtbarer) Bescheid erlassen wird. Verweigert die Behörde einen solchen Bescheid, gibt es auch dagegen Rechtsmittel. Diese aber haben manche Beamte nicht gerne, weil es für sie ja kein Ruhmesblatt ist, wenn ihre Bescheide von der übergeordneten Instanz aufgehoben werden. Also greifen sie zur List.
Wann ist ein Bescheid ein Bescheid?
Das Gesetz (AVG) zählt im § 58 die Erfordernisse eines Bescheids auf: „Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.“.„ Bescheide sind zu begründen....“ Die „Bescheid-Falle“ beruht auf einer für den Laien nicht nachvollziehbaren Auslegung des Bescheid-Begriffs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser sagt: es kommt nicht darauf an, dass alle gesetzlichen Erfordernisse erfüllt werden, es genügt, dass in einem an die antragstellende Person gerichteten Schriftstück über deren Antrag entschieden wird. Sonstige Vorschriften sollen, müssen aber nicht beachtet werden. Diese juristische Falle funktioniert auf zweierlei Arten.
Der Bescheid mit Tarnkappe
Jemand begehrt, wie es in den Auskunftspflichtgesetzen im Fall einer Auskunftsverweigerung vorgesehen ist, unter strengster Beachtung der dafür vorgesehenen Formvorschriften die Ausfertigung eines begründeten Bescheides, um gegen die Auskunftsverweigerung Berufung einlegen zu können. Statt dieses Bescheides kommt ein freundlicher Brief, in dem mitgeteilt wird, die Behörde habe erstens ohnedies die gewünschte Auskunft erteilt und zweitens nur jene Auskünfte nicht erteilt, die unter die amtliche Verschwiegenheitspflicht fallen. Damit sei die Sache erledigt und ein weiterer Schriftverkehr werde abgelehnt. Wenn man nun glaubt, darauf trotzdem zurückschreiben zu sollen oder aber auf den erbetenen Bescheid zu warten, schnappt die Falle zu: weil man gegen diesen als harmlose Mitteilung getarnten Bescheid nicht prompt eine Berufung eingebracht hat, ist diese verfristet und jede Möglichkeit, Zugang zum Recht zu bekommen, abgewürgt.
Der Bescheid, der keiner ist
Die umgekehrte Spielart des Bürgervera....ens geht so: die Behörde verweigert einer Partei ihr Recht (z. B. die Zuerkennung der Parteieneigenschaft). Diese ersucht über einen ausgewiesenen Vertreter um Ausfertigung eines Bescheides über diese Verweigerung. Die Behörde stellt dem Vertreter ein als Bescheid bezeichnetes und mit allen Merkmalen eines solchen ausgestattetes Schriftstück zu, in dem auf den konkreten Antrag unverwechselbar (mit Aktenzeichen, Datum etc.) Bezug genommen wird und lediglich die namentliche Anrede des Vertretenen fehlt. Da dieser Bescheid nicht ausdrücklich an den Antragsteller gerichtet ist, handelt es sich laut VwGH nicht um einen Bescheid, sondern um eine nicht bekämpfbare bloße Mitteilung. Rechtsmittel gegen diesen „Bescheid“ gehen – selbst beim Verwaltungsgerichtshof – ins Leere. Was aber passiert, wenn das Ersuchen um eine Bescheiderlassung wiederholt wird? Der Bescheid wird nicht erlassen, die Instanz reagiert auf einen Devolutionsantrag (Antrag, den Bescheid an Stelle der säumigen Behörde zu erlassen) zunächst gar nicht und knapp vor Ablauf der 6-Monatsfrist, nach deren Ablauf eine Säumnisbeschwerde beim Höchstgericht eingebracht werden kann, endlich mit einer abweisenden Erledigung. Gegen die kann nun nach ein bis zwei versäumten Jahren beim VwGH Beschwerde erhoben werden, die nach weiteren zwei bis drei Jahren erledigt wird. Der Gegenstand, um den es dabei geht, ist nach mehreren Jahren natürlich nicht mehr aktuell und hat sich zumeist durch die normative Kraft des Faktischen von selbst erledigt. Wer aber das alles für ein Hirngespinst eines theoretisierenden Schreibtischjuristen hält, dem sei versichert: dies und noch mehr lässt sich an Hand konkreter, belegbarer Fälle klitzeklein nachweisen. Die Wirklichkeit österreichischer Amts-Tücke hat die unglaublichsten Ausgeburten der Fantasie spielend in den Schatten gestellt.
Fazit
Es kann und darf nicht sein, dass es in einem Rechtsstaat überhaupt denkmöglich ist, dem Rechtssuchenden auf eine derart infame Weise das Haxel zu stellen.
H. Hofmann
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