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Bananien lässt grüßen:

...denn sie wissen nicht, was sie tun!

 

Mit dem Stehsatz „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind noch gleicher als die anderen“ persiflierte George Orwell in „Die Farm der Tiere“ die Pervertierung des Gleichheitsgrundsatzes in der, wie Jean Ziegler es ausdrückt, „simulativen Demokratie“.

Nicht anders kann man die österreichische Zweiklassenjustiz sehen. Kaum zu fassen, was die Justiz unter Gleichheit vor dem Gesetz versteht. Etwa im Fall eines Bürgermeisters, der in einem an bestimmte Bürgerinnen und Bürger gerichteten, im Gewand einer amtlichen Mitteilung daherkommenden Brief für seine Wiederwahl wirbt.

Dass ein langjähriger, erfahrener Bürgermeister so handelt, ist ungut. Auch wenn er in der Hitze des Wahlkampfs gegen das Gesetz verstößt, muss er mit entsprechenden Sanktionen rechnen. Wie ein Autofahrer, der in eine Radarfalle gerät und noch so glaubwürdig beteuert, er habe nicht wissen können, dass das Tempolimit auch für ihn gelte, wo er doch sogar die Fahrprüfung bestanden habe.

Manche Tiere sind gleicher als die anderen

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten jedenfalls hat die Ermittlungen kurzerhand eingestellt und dafür eine dreieinhalb Seiten lange Begründung gegeben. Aus dieser sind lediglich zwei Absätze von Interesse. Der eine lautet: „Objektiv betrachtet vermag der Aufruf des Beschuldigten zur Wahl seiner Person unter Umständen tatsächlich den objektiven Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB (Amtsmissbrauch, Anm. d. Verf.) zu erfüllen.“

Im darauffolgenden Absatz stellt die Staatsanwaltschaft jedoch fest:, „In subjektiver Hinsicht waren ihm jedoch ausgehend von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens weder ein wissentlicher Missbrauch seiner Befugnis, noch ein Schädigungsvorsatz anlastbar, zumal der Mitteilung tatsächlich ein über eine bloße Wahlwerbung hinausgehender Informationswert zukommt. Der Umstand der privaten Finanzierung der Aussendung lässt darauf schließen, dass ... mit dieser Vorgangsweise subjektiv vermeinte, ausreichend Distanz zwischen der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern und dem Inhalt des Schreibens geschaffen zu haben.“ Im Klartext: es mangelte dem Bürgermeister sowohl an der Schädigungsabsicht wie auch am Unrechtsbewusstsein. Um beim Schnellfahr-Vergleich zu bleiben: der privat bezahlte Benzin eines unrechtmäßig verwendeten Einsatzfahrzeuges bestärkte den Schnellfahrer in der Meinung, er dürfe sich mit Blaulicht und Folgetonhorn über die Geschwindigkeitsbegrenzung hinwegsetzen. 

Gefährliches Präjudiz

Verständlich wird diese Haltung der Staatsanwaltschaft St. Pölten nur für den, der sich an eine ähnlich begründete Entscheidung erinnert. Da ging es um den Bürgermeister einer anderen Gemeinde, gegen den die Staatsanwaltschaft zwar Anklage erhoben hatte, der aber vom Gericht freigesprochen wurde, worauf der Staatsanwalt auf Rechtsmittel verzichtete. Die Parallele: auch dort war der Gesetzesverstoß zwar evident, doch auch dort gestand das Gericht dem Beschuldigten zu, „glaubhaft den Eindruck hinterlassen zu haben, das Raumordnungsgesetz (§ 24) nicht gekannt und gelesen zu haben“, obwohl er diesen Paragrafen zuvor als Landtagsabgeordneter mitbeschlossen hatte bzw. auf dessen Inhalt ...hingewiesen worden war.“

Angesichts derart „seltsamer“ Präzedenzfälle ist es verständlich, dass sich die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall mit dem Satz „Liegt nach hinreichender Sachverhaltsklärung eine Verurteilung nicht nahe, sondern ist vielmehr ein Freispruch wahrscheinlicher als der Schuldspruch, erfordert das strafprozessuale Legalitätsprinzip die Einstellung des Ermittlungsverfahrens“ aus der Affäre zu ziehen versucht hat. Wie auch immer: schuld ist in all diesen Fällen nur der, der da noch an die Beteuerungen von Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit glaubt.

Und der Betroffene?

Für den Beschuldigten ist die Begründung der Staatsanwaltschaft wenig schmeichelhaft. Sie lässt nur zwei Denkalternativen zu: entweder sie ist falsch, weil ihm klar sein musste, dass er nicht nur gegen Moral und Anstand verstoßen hatte, sondern auch gegen das Gesetz. Dann aber muss sich die Justiz den Vorwurf gefallen lassen, sie decke das Fehlverhalten aus politischen Gründen. Ist sie aber richtig, dann spricht sie dem Beschuldigten die Eignung für das Amt ab. Das Wahlvolk ist im gegenständlichen Fall der Justiz zuvorgekommen. Ihr blieb es vorbehalten, die teilweise unqualifizierten Reaktionen enttäuschter Parteigänger auf demokratisch zwar ungewöhnliche, aber jedenfalls korrekte Vorgänge mit der Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Alternativen zu beantworten.

Eine Verurteilung zu einer (geringfügigen) Strafe, die den Beschuldigten persönlich nicht sonderlich träfe, wohl aber ein unübersehbares Signal der Justiz an alle Politiker des Landes wäre, derartige Eigenmächtigkeiten nicht dulden zu wollen, wäre jedenfalls die für alle Beteiligten bessere Lösung gewesen. Sie hätte dem Volk das Bewusstsein zurückgegeben, dass das Recht von ihm ausgehe, wie es im Artikel I der Bundesverfassung festgeschrieben ist.    

Helmut Hofmann

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