Betr.:Zusammenkunft B4B „Bürger für Bürger“ vom 15.02.2014 in Hintersdorf, Café Christine
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren im Gemeinderat,
wir sagen es rundheraus:
Es freut uns, dass nach mehrmaligen vergeblichen Kontaktversuchen uns diesmal sowohl der Herr Bürgermeister als auch einige Vertreter der SPÖ besucht und weitere Gespräche in Aussicht gestellt haben.
Es wundert uns, dass Partizipation in den Gemeindestuben von STAW immer noch nicht wirklich angekommen zu sein scheint, weil man glaubt, dass einfache Bürgerinnen und Bürger nur ihre eigenen Interessen verfolgten und ihnen Solidarität mit anderen Menschen aus der Gemeinde fremd sei.
Wir wollten im Geist echter Bürgerbeteiligung Gefahren aufzeigen, über die viele betroffene Menschen aus der Gemeinde unzureichend informiert sind und überlegen, wie man unerwarteten und unerwünschten Folgen begegnen könnte.
Die Teilnahme der Bewohner „entlegenerer Gemeindegebiete“ war enttäuschend. Wahrscheinlich lag es daran, dass es heuer fast keinen Schneefall gegeben hat und daher auch keine Probleme aufgetreten sind. Vielleicht lag es auch daran, dass „Bürger für Bürger“ nicht als Organisation der Gemeinde gilt und daher in gemeindeeigenen Ankündigungen nicht erwähnt werden darf. Dem können wir ja abhelfen. Vielleicht wurde interessierten Personen sogar vom Besuch abgeraten – die „über Nacht“ entfernten Ankündigungszettel lassen diese Annahme ja nicht gerade absurd erscheinen. Aber es liegt uns fern, jemanden zu verdächtigen
Wie dem auch sei: Wegschauen löst keine Probleme. Der nächste Schnee kommt bestimmt und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Deshalb war das auf einen Dialog zwischen B4B-Exponenten und Teilen der Gemeindevertretung reduzierte Meeting doch nicht ganz umsonst, vor allem, weil es einige grundlegende Missverständnisse zu überwinden galt.
Des hamma nie so gmacht...
Das erste Missverständnis war die an B4B gerichtete Frage, welche Vorschläge man zur Frage der Schneeräumung habe. Es gab wenig Verständnis dafür, dass zuerst Anregungen aus der praktischen Erfahrung vieler Betroffener kommen sollten, bevor man daraus Vorschläge für konkrete Maßnahmen ableiten könne. Gegenüber einer solchen in unserer Gemeinde neuen Form der Bürgerbeteiligung waren manche naturgemäß skeptisch.
Des hamma immer so gemacht...
Das nächste Missverständnis war eine klare Absage an die kollektive Intelligenz der Gemeindebevölkerung: „wir kennen das besser, wir wissen das besser, das ist ja unser Job als Gemeinderat!“ So habe es bisher immer funktioniert, und es funktioniere auch jetzt bestens, es gebe auch keinerlei Beschwerden.
Selbst der Hinweis auf konkrete Vorfälle aus dem schneereichen Vorjahr, in dem die Fahrer der Räumfahrzeugen wegen der Schneeverfrachtung auf die von den Anrainern eben geräumten Einfahrten und Gehsteige mit wenig schmeichelhaften Unmutsäußerungen konfrontiert waren, konnte kein Umdenken bewirken. Immerhin kam eine zögernde Anregung von GR Seidl, die Bevölkerung könnte sich grätzelweise zu einer Art Nachbarschaftshilfe zusammenschließen. Es gebe da und dort Räumgeräte, die ja für alle eingesetzt werden könnten. Der B4B-Vorschlag, die Gemeindeverwaltung möge für die Organisation solcher Nachbarschaftshilfe über die Ortsvorsteher eine Art Starthilfe geben, fand kein Echo.
Da könnt ja jeder kommen...
Schließlich erklärte unser Herr Bürgermeister, warum es nicht möglich sei, in gemeindeeigenen Einrichtungen auf die Initiativen von B4B hinzuweisen: solche Einrichtungen (Bürgermeister-Informationen, Anschlagtafel udgl.) stünden nur öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung. Dies seien: Parteien, kommunale Einrichtungen, die Feuerwehr, gemeinnützige Vereine, Kirchen. Bürgerinitiativen sind nicht dabei, soferne sie keine Vereine sind. Quod non est in actis, non est in mundo – was nicht aktenkundig ist, existiert nicht. Formaljuristisch hat er natürlich Recht. Also wird es halt einen Verein mehr geben müssen.
Rechtslage unbefriedigend
Herr Bürgermeister Stachelberger verwies schließlich auf die in den öffentlichen Mitteilungen der Gemeinde verlautbarte Rechtslage, halte aber das Vertreten anderer Rechtsansichten für berechtigt. B4B geht es aber nicht nur darum, was tatsächlich rechtens ist, sondern auch darum, wie man mit einer unklaren und unbefriedigenden Rechtslage umgehen solle. Dazu gehört allerdings, dass man die Bevölkerung über die Rechtslage vollständig aufklärt und dann mit ihr gemeinsam nach einem praktikablen Umgang sucht.
Die Rechtslage ist für viele unbefriedigend und gefährlich, ohne dass sie es überhaupt wissen. Wäre nämlich die vom Bürgermeister verkündete Rechtslage vollständig dargestellt, wäre sie für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger unerfüllbare Theorie.
Die Gemeinde muss die Fahrbahn räumen. Sie kann das nur durch Räumfahrzeuge, die den Schnee zur Seite schieben oder schleudern. Bei größeren Schneemengen heißt das: zugeschüttete Gehsteige und Einfahrten, verschüttete parkende Fahrzeuge. Die Hauseigentümer müssen die Gehsteige oder dort, wo es keinen gibt, einen 1 m breiten Streifen, von Schnee und Verunreinigungen säubern, auch wenn sie schon gereinigt waren und gerade erst von einem Räumfahrzeug wieder zugeschüttet wurden. Zurück auf die Fahrbahn dürfen sie den Schnee nicht schaufeln oder schieben. Was also tun, wenn auf der anderen Seite eine Hausmauer ist, über die man den Schnee nicht bugsieren kann? Die Schneefräse heißt zwar so, aber sie frisst den Schnee nicht. In Säcke füllen und abtransportieren? Einen LKW anheuern und darauf vertrauen, dass er so weit zufahren kann, um ihn mit Schnee beladen zu können? Und dann: wohin sollte man den Schnee führen? Wo darf man ihn abladen? Soll man die Umwelt schädigen und so viel Salz streuen, dass aller Schnee zerrinnt?
Und wenn es ununterbrochen schneit: muss dann auch ununterbrochen gesäubert und gestreut werden? Wie viele Zentimeter Schnee dürfen liegen bleiben, ohne dass der Hauseigentümer fällig wird? In welchen Zeitabständen muss er räumen und streuen? Heißt „säubern“ gar, dass keine Schneeflocke liegen bleiben darf?
Oder: gilt, wenn der Schnee weggeräumt wurde und kein Glatteis vorhanden ist, Kies oder Split als ebenfalls zu säubernde Verunreinigung, die vom Gehsteig - so wie der Schnee - entfernt werden muss?
Kann sich der Hauseigentümer aus der Affäre ziehen, wenn er die Räum- und Streupflicht auf ein bezahltes Unternehmen abschiebt? Oder hilft das im Ernstfall auch nicht?
Fragen über Fragen, auf die niemand eine befriedigende Antwort weiß.
Handlungsbedarf der Gemeindevertretung
So einfach, wie in den gemeindeamtlichen Verlautbarungen dargestellt, ist das für den juristischen Laien. Im Fall des (Un)falles entscheiden aber nicht Laien, sondern Juristen – letzten Endes solche von Höchstgerichten - über Schuld und Schadenersatz. Und die entscheiden nicht nur aufgrund einzelner Paragrafen, sondern auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Auslegungsregeln. Dabei spielt die Zumutbarkeit eine wichtige Rolle. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihr in mehreren Entscheidungen Grenzen, wenn auch relativ hohe, gesetzt. Genau hier beginnt der Handlungsbedarf der Gemeindevertretung. Die Gemeinde kann durch Verordnung in einigen Punkten regelnd eingreifen. Solche Verordnungen können dann möglicherweise auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit herangezogen werden. Vor allem aber sollte für Härtefälle, die zwar von Gesetz und Rechtssprechung als zumutbar angesehen werden, die aber für den Betroffenen jenseits aller Zumutbarkeit liegen, eine Regelung gefunden werden, die das Leben und den Besitz von Wohnstätten innerhalb der Gemeinde nicht zu einem unverantwortlichren Risiko werden lässt.
Der verlautbarte Rechtsstandpunkt der Gemeindevertreter ist daher nicht nur rechtlich unscharf, sondern geradezu begründeter Anlass für eine breite Diskussion über ein Thema, das zwar die meiste Zeit schlummert, wenn es aber aktuell wird, für viele der Betroffenen äußerst unangenehm, ja sogar ruinös werden kann.
Immerhin: in den letzten Tagen war still und leise ein zarter Andräer Frühlingsbote – ein Winterparkverbot auf einer Seite der Franz Frieberger-Gasse –zu verzeichnen. Ein erstes Ergebnis der B4B-Initiative?
Dass der Herr Bürgermeister erklärt hat, auch weiterhin für ein konstruktives Gespräch mit B4B zur Verfügung zu stehen, gibt uns die Hoffnung, dass in der Schneefrage noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde.
Helmut Hofmann
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