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Die Gretchenfrage an die wahlwerbenden Parteien:

"Wie haltet Ihr es mit Bürgerbeteiligung" ? Antwort von der KPÖ - Leider verspätet

Wie bereits zweimal zuvor, hat Aktion21 auch dieses Mal wieder einen Fragekatalog an jene Parteien geschickt, die am 29. 9. in allen Budesländern zur NR antreten werden. In unserer Aussendung haben wir angekündigt, die Antworten auf unsere Fragen in der Reihenfolge des Eintreffens auf unserer HP online zu stellen.

Die siebente Antwort kam, leider verspätet, von der KPÖ

Ich, bedanke mich namens des Bundessprechers der KPÖ, Mirko Messner, für die Möglichkeit ihre Fragen zu beantworten. Ich entschuldige mich dafür, dass es zu diesem späten Zeitpunkt geschieht. Die Ursachen liegen in der Enge des 24 Stundentages, in dem ich Arbeit, Familie, Aktivitäten in Bürgerinitiativen, Wahlkampf und Regeneration unter einen Hut bringen muss. Jetzt zu ihren Fragen, die ich aus der Sicht eines Bezirksrats und Betriebsrats einerseits und Aktivisten in einer Bürgerinitiative andererseits beantworten möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Wolf-Goetz Jurjans

1. Was halten Sie von Bürgerbeteiligung als Korrektiv der repräsentativen Demokratie?

Ich bin der Meinung, dass die repräsentative Demokratie zunehmend ihrer eigenen Ansprüche beraubt wird. Eine “marktkonforme” Demokratie wird in Aussicht gestellt. Das bedeutet, dass das Recht nicht mehr vom Demos, dem Volk ausgehen soll, sondern von “der Wirtschaft”.VolksvertreterInnen werden zu LobbyistInnen mächtiger Wirtschaftsverbände, die Bürger werden zunehmend von relevanten Entscheidungen ausgeschlossen. Diese werden im Hinterzimmer oder auf Jachten getroffen. Nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Ich sehe in einer umfassenden Bürgerbeteiligung die Chance, diesen Trend zu stoppen. Korrektiv (lat. correctura – “das Auszubessernde”) verstehe ich daher nicht nur als Verbesserungsmaßnahme einer an sich gut funktionierenden repräsentativen Demokratie, sondern auch als Keimzelle einer Demokratie, die den Willen einer großen Mehrheit gegen eine kleine, aber omnipotente Minderheit durchsetzen kann. Bürgerbeteiligung kann und muss aber m.M. ebenso als konstruktives Mittel zum Schutze von berechtigten Minderheiteninteressen gegen unberechtigte Mehrheitsinteressen eingesetzt werden.

2. Auf welchen Ebenen – Gemeinde, Land, Bund - sollte Ihrer Meinung nach mit der Implementierung von Bürgerbeteiligung vorrangig oder gleichrangig angesetzt werden?

Nach meinen Erfahrungen als Bezirksrat bin ich der Auffassung, dass das Einbinden der Menschen in die Gestaltung und Verwaltung ihres Lebensraums gründlich, also von Grund auf am sinnvollsten ist. Die Expertise der Menschen vor Ort kann durch nichts ersetzt werden, es müssen aber Bedingungen geschaffen werden, die eine seriöse Willensbildung absichert. Strukturell abgesicherte Informations-, Diskussions- und Entscheidungsmechanismen sind dazu Voraussetzung.

3. Halten Sie wirksame Bürgerbeteiligung ohne deren rechtsstaatliche Verankerung für möglich? Wenn ja, in welcher Form?

Rechtsstaatliche Verankerungen, so gut sie gemeint sind, bergen zwangsläufig immer die Gefahr in sich, durch einen routinierten Beamtenstab und abgebrühte Politmanager dominiert zu werden. Das Ergebnis sind dann Verfahren, in denen den Bürgern “das Gefühl” der Mitgestaltung gegeben werden soll, aber eben nur dieses. Ohne zivilgesellschaftliche Selbstorganisation geht gar nichts. Funktioniert sie, können aber auf dieser Basis rechtsstaatliche Verankerungen positiv genützt werden.

4. Soll Bürgerbeteiligung Ihrer Meinung nach nur top down oder auch – mit den gleichen Realisierungsmöglichkeiten – bottom up erfolgen können?

Wie schon beschrieben, bin ich ein Verfechter der bottom up Idee, die natürlich in einem Land mit einer starker patriarchalen, obrigkeitshörigen Tradition naturgemäß schwierig zu verwirklichen ist. Nach meinen Erfahrungen sind es aber die Aktivitäten an der Basis der Gesellschaft, die eine notwendige Erneuerung der Demokratie beschleunigen können. Meine aktive Beteiligung an der Republik Reinprechtsdorf, einer Initiative gegen Wettlokale, hat mich in meiner Auffassung bestätigt. Ebenso stelle ich fest, dass die traditionelle Politik versucht, durch Einschränkungen aller Art diese Entwicklung zu behindern. Die restriktive Änderung der Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen genau in der Zeit, in der die Kräfte der kleinen Parteien durch den Wahlkampf gebunden sind, ist ein aktuelles Beispiel.

5. Was wird Ihre Partei konkret unternehmen, um wirksame Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, egal ob in Regierungsverantwortung oder Opposition?

Die bisherige Praxis meiner Partei bestand bisher darin, wo immer es möglich ist, gemeinsam mit den bewegten BürgerInnen zu arbeiten. Solidarität Konkret kann m.M. durch nichts ersetzt werden. Daran werden wir, ob gewählt oder nicht, festhalten.
Wir sind mit dem Ziel in den Wahlkampf gegangen, die nach unserer Meinung leeren Plätze einer linken, sozialen und ökologischen Opposition zu besetzen. Unsere Aufgabe sehen wir darin, unsere Vorstellungen einer solidarischen Gesellschaft im Widerspruch gegen die mehr oder minder neoliberalen Positionen der anderen Parteien zu vertreten. In diesem Konzept ist eine umfassende Bürgerbeteiligung fundamental. Ob es sich um lokale Interventionen gegen die Immobilienlobby oder um Widerstand gegen Glücksspielmonopolisten, ob es sich im sozialen Bereich um eine Solidarisierung mit den einkommensschwachen Menschen, ob es sich im Kunst und Kulturbereich um die Förderung kritischer, nicht dem mainstream verpflichteter Initiativen handelt. Verbindlich für unser Handeln und Wirken ist für uns der Satz: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Tatsache ist: Dort steht er heute im Weg, wenn er Profitinteressen behindert. Diesen Zustand zu akzeptieren, hieße, heute unverantwortlich gegenüber den nächsten Generationen zu handeln, weil diese Lebens-und Produktionsweise an ihre ökologischen Grenzen stößt. Wir haben nur eine Welt. Lokal zu Handeln und global zu Denken, ist kein leeres Wort sondern alternativlos notwendig. Es verpflichtet dazu, Verantwortung zu übernehmen. Je unmittelbarer die Menschen sich selbst konkret in diese Verantwortung einbringen können, je intensiver sich Bürger an der Gestaltung unsrer Lebensbedingungen beteiligen, umso besser.

6. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das öffentliche Interesse in allen Fällen, in denen dessen Wahrnehmung durch die dazu berufenen Behörden nicht oder nicht in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Weise erfolgt, durch Bürgerinitiativen als Verfahrensparteien wahrgenommen werden kann?

Ja.

7. Sind Sie bereit, mit Aktion 21 – Austria in einen ständigen Dialog über wirksame Bürgerbeteiligung einzutreten? Durch welche Vertreterinnen oder Vertreter (bitte um Benennung der Funktion)?

Selbstverständlich und mit Freude.
Durch DI Wolf-Goetz Jurjans, Mitglied des Bundesvorstandes der KPÖ, Mitgleid der Stadtleitung der KPÖ Wien. Bezirksrat in Wien Margareten.

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